Pogrom: Ein Gebet für sechs Millionen

Zahlreiche Krefelder haben am Freitag am Mahnmal der alten Synagoge der Opfer der Reichspogromnacht gedacht.

Krefeld. „Den Toten zur Ehre, den Lebenden zur Erinnerung“ steht auf der Schleife eines üppigen Blumengestecks aus weißen Chrysanthemen und blauen Lilien. Zahlreiche Kerzen brennen neben und zwischen den grauen Stelen. Mit einer kurzen aber bewegenden Feier haben am Freitag zahlreiche Krefelder der Opfer der Reichspogromnacht vor 74 Jahren gedacht.

Wegen des bevorstehenden Sabbats früher als sonst hatten sich die Menschen am Mahnmal am Platz der alten Synagoge versammelt, um an die Ereignisse am 9. und 10. November 1938 zu erinnern, als die Nationalsozialisten und ihre Anhänger die Synagogen und Geschäfte jüdischer Mitbürger in Brand steckten und verwüsteten.

In seinem Gebet sagte Johann Schwarz, ehemaliger Vorstand der Jüdischen Gemeinde Krefeld: „Gewähre den sechs Millionen Juden, die vom Naziregime abgeschlachtet wurden, die verdiente Ruhe in Gottes Nähe.“ Sein Nachfolger Michael Gilad, sprach das Kaddisch-Gebet und bedankte sich bei den Menschen für das zahlreiche Erscheinen.

Rabbiner Yitzchak Mendel Wagner rezitierte den Psalm von König David, der Chor der Jüdischen Gemeinde sorgte für einen feierlichen musikalischen Rahmen der Gedenkfeier.

Zuvor hatte Bürgermeisterin Karin Meincke für die Stadt Krefeld auf die Bedeutung dieses Erinnerns hingewiesen. Für viele jüngere Menschen seien die Ereignisse nicht mehr fassbar, es gebe immer weniger Zeitzeugen und zum Teil werde das Geschehen durch abstruse Vergleiche banalisiert.

„Dabei sind die Namen der Opfer bekannt, genauso wie die Plätze, wo sie gequält wurden“, erinnerte die Ratspolitikerin daran, dass die Angriffe auch in Krefeld mitten unter den Bürgern passiert sind. Man dürfe sich nicht auf das „unfassbare Böse“ herausreden, sondern müsse die Wahrheit erkennen, dass jeder ein Täter sein könnte. Nur wenn man das akzeptiere, könne man eine Wiederholung der schrecklichen Ereignisse vermeiden. „Der 9.11. wäre der letzte Termin für ein lautes Nein gewesen“, sagte sie.

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