Kultur ...und Aschenbrödel tanzt Walzer

Krefeld · Im Theater am Marienplatz erleben die Zuschauer im April romantische und märchenhafte Programmmusik.

 „Sechs Deutsche Märchenbilder“ spielen Alfred Pollmann und Pit Therre auf dem Klavier.

„Sechs Deutsche Märchenbilder“ spielen Alfred Pollmann und Pit Therre auf dem Klavier.

Foto: Mark Mocnik

Soll das jetzt ein Scherz sein? Durchaus. Man muss doch das ein oder andere Mal schmunzeln, wenn man diese Musik hört, die Pit Therre ins April-Programm des Theaters am Marienplatz (Tam) hineingeschmuggelt hat. Da wo sonst „Helden“ der Neuen Musik wie Mauricio Kagel oder Karlheinz Stockhausen aufgeführt werden, spielen Alfred Pollmann und Therre vierhändig auf dem Klavier also nun „Sechs Deutsche Märchenbilder“ von Franz Bendel. Der Scherz beginnt damit, dass der Komponist heutzutage kaum noch bekannt ist.

Bendel wurde 1833 im damals österreichischen Böhmen geboren und starb nur 41 Jahre später in Berlin. In diesem kurzen Leben schuf der der Romantik zuzurechnende Pianist und Komponist an die 400 Kompositionen, darunter auch Sinfonien und Messen. Bendel war ein Schüler des heute noch bekannten Franz Liszt und später selbst als Instrumentalpädagoge tätig. Für gelegentliche Konzertreisen unterbrach er seine Lehrtätigkeit.

Zahlreich sind vor allem Bendels Werke für Klavier, von denen sich auf Wegen, die Pit Therre selbst nicht mehr so genau nachvollziehen kann, Bendels Märchenbilder in den Notenfundus des Tam verirrt haben. Das „Fundstück“ der „Sechs Deutschen Märchenbilder“ nun ist ein typisches Stück Programmmusik. Bendel illustriert akustisch die Grimmschen Märchen „Frau Holle“, „Schneewittchen“, „Aschenbrödel“, „Die Bremer Stadtmusikanten“, „Rotkäppchen“ und „Hans im Glück“.

Für die ausführenden Musiker hat Bendel den Noten inhaltliche Erklärungen beigefügt. Diese verlesen Therre und Pollmann laut, so dass den Zuhörern kaum noch Deutungsarbeit überlassen bleibt.

Derlei Ansagen lauten etwa: „Schneewittchens Trauerzug“, oder „Aschenbrödel tanzt mit dem Prinzen“, und so fort. Da ist man dann auch nicht überrascht, wenn die beiden Pianisten einen Trauermarsch intonieren oder in einen Walzer hinübergleiten.

Vieles ist sowieso leicht erkennbar. Das Schneegeriesel bei Frau Holle etwa manifestiert sich in abwärts perlenden Läufen, und wenn Aschenbrödel um Mitternacht das Tanzfest im Königspalast verlassen muss, werden auf dem Piano tiefe Glockenschläge imitiert.

Der programmatische Charakter der Stücke überwiegt so sehr, dass kaum einmal prägnante Melodik entsteht, auch harmonisch ist Bendels Werk eher als bieder einzustufen. Instrumentaltechnisch scheint das Werk für Pollmann und Therre keine Herausforderung zu sein. Die Vermutung liegt nahe, dass schon der Komponist seine Musik weniger für die konzertante Verwendung, vielmehr für den Einsatz als Salonmusik gedacht haben wird.

Es bleibt also ein Scherz: Salonmusik ausgerechnet im Krefelder Tempel für experimentelle Formen von Musik und Literatur. Ansonsten könnte der Abend allerdings auch nostalgische Bedürfnisse erfüllen.

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