Nach Utøya: Die Angst vor dem Ferienlager

Die Anschläge auf Utøya verunsichern Groß und Klein. Dietmar Siegert gibt Tipps.

Krefeld. Kann man nach den Anschlägen in Norwegen noch sein Kind ins Ferienlager fahren lassen? Eine Frage, die viele Eltern derzeit beschäftigt. Ebenso wie die, wie viel Kinder in der Presse von der Angst, dem Grauen und der Trauer mitkriegen sollten? „Wir leben in einer sehr transparenten Welt. Alles kommt nah an uns heran, auch wenn es eigentlich sehr weit von uns entfernt ist“, sagt Dietmar Siegert, Geschäftsführer des Kinderschutzbundes in Krefeld. Vor allem durch das Fernsehen sind die dramatischen Bilder allgegenwärtig.

Neben dem Massaker von Utøya trage auch der Fall des getöteten Mirco durch die Nähe zu Grefrath gerade in Krefeld mit dazu bei, dass viele Eltern verunsichert sind und Angst vor Übergriffen auf ihre Kinder haben. Siegert: „Gefühlt ist diese Bedrohung aber weit größer, als es der Realität entspricht.“ Das belegten nachprüfbare Zahlen.

In den 1950er Jahren haben sich nach seinen Worten in der BRD etwa 50 Sexualmorddelikte im Jahr ereignet. Heutzutage seien es dagegen nur noch zwei, drei Fälle im Jahr. Doch das Empfinden, dass dies viel häufiger passiert, sei stärker ausgeprägt. Die Fernsehprogramme mit ihren sich ständig wiederholenden kurzen Filmsequenzen vom Tatort förderten dies ebenso wie das jüngste Beispiel von der Insel Utøya gezeigt habe.

Solche Eindrücke können bei Eltern Sorgen bis zur Überbesorgtheit auslösen. „Sie geben ihre Ängste dann oftmals an ihre Kinder weiter.“ Aber auch sehr behütet aufwachsende Kinder, die von Termin zu Termin gefahren werden, könnten in einer solchen Atmosphäre Ängste entwickeln. Siegert gibt zu Bedenken: „Kinder müssen kleine Abenteuer erleben, damit sie als Erwachsene die großen bestehen können“.

Eine Vorbereitung auf ein Massaker, wie es gerade in Norwegen geschehen ist, gebe es nicht. Doch die statistische Wahrscheinlichkeit, dass es eine Familie hierzulande trifft, sei äußerst gering. „Auch wenn es für ein Ferienlager keine 100-prozentige Sicherheit gibt“, sagt Siegert. Ebenso wenig wie im alltäglichen Leben eben auch.

Wie viel von der Berichterstattung Kinder mitbekommen sollten, hängt laut Siegert vom Alter ab: „Je jünger, desto weniger.“ Eine Tat, die selbst Erwachsene zutiefst erschüttert,werde für Heranwachsende rasch zum Trauma. Symptome dafür könne bei Kindern zum Beispiel Schlaflosigkeit sein. Der Kinderschutzbund bietet in diesen Fällen Hilfe an. Schon ein Gespräch könne manches in die richtigen Bahnen lenken. Eine erste Krisenberatung zeige Wege auf, mit welchen Hilfen Eltern eine Lösung angehen könnten — sei es bei Ängsten, die die Nachrichten aus Norwegen ausgelöst haben oder der Fall Mirco.

Auf mehreren Wegen sind die Fachleute des Kinderschutzbund in Krefeld zu erreichen. Siegert: „Wir haben ein offenes Ohr für Eltern, Kinder und Jugendliche.“

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