Linn : Nach fast 120 Jahren: Krefeld hat wieder eine Pferdebahn
Linn Die Linner Kutschenfreunde haben einen historischen Wagen nachgebaut. Bei besonderen Gelegenheiten fährt er durch den Stadtteil und auch ganz Krefeld – das nächste Mal am Tulpensonntag.
Der Beförderungstarif hängt eingerahmt an den Stufen, die in den Wagen führen: „Jede Fahrt für die Person kostet 10 Pfennige. Bei den Fahrten nach ¾ 9 Uhr 20 Pfennige. Ein Kind unter 2 Jahren ist frei.“ Dazu ist „kleines Handgepäck“ frei. Das Schild hängt an einer hellen Pferdestraßenbahn — allerdings auf Straßenrädern — die der Krefelder Pferdebahn nachempfunden ist. Letztere wurde um 1900 abgeschafft.
Der Freundeskreis um Peter Winkmann, die „Linner Kutschenfreunde“, haben den Wagen in liebevoller und detailgetreuer Weise nach gebaut. Stolz haben die sechs Männer ihr Gefährt auf der Margaretenstraße vor der Gaststätte Em Kontörke präsentiert; allerdings ohne Zugpferd Milow. Es war zu kalt für ihn. „Aus dem Kontörke und von der Arbeitsgemeinschaft Linner Flachsmarkt kamen Spenden, ebenso von Fachfirmen, deren Namen als Dank auf dem Wagen angebracht sind“, berichtete Winkmann. „Ohne sie hätten wir den Betrag nicht aufbringen können. Da wir viel Eigenleistung erbracht haben, konnten wir ihn auch günstiger als die veranschlagten 20 000 Euro gestalten.“
Die Pferdebahn wird vor etwa 120 Jahren abgeschafft
Der Grund für den Wagenbau, der rund ein halbes Jahr dauerte: „Wir unternehmen so alle zwei Jahre eine mehrtägige Fahrt durch den schönen Niederrhein nach Weeze“, erzählt Winkmann. Wie es in Linn stets so ist: „Immer unter einem anderen historischen Motto.“ 2011 lautete der überschwängliche erste Tour-Titel: „Mit dem Planwagen nach Amerika.“ Dass das Unternehmen in Weeze endete, kein Problem. 2014 war eine Postkutsche das Transportmittel. „Wir haben sie vom Grefrather Museumsverein Dorenburg geliehen. Das war zwar toll, hatte aber viele Auflagen, wie beispielsweise die Versicherung.“
2016 haben sie Jahrmarktatmosphäre auf die Straße gebracht und sind mit einem Schaustellerwagen auf die Reise gegangen, ganz so, wie es ihn früher auf dem Jahrmarkt gab. 2018 gab es den bisher gefühlten Höhepunkt: „Wir haben ,Schmuggelgut’ in einem Leichenwagen transportiert. Die gestohlenen Gegenstände lagen in der Kiste, haben wir allen erzählt.“ Das Aufsehen an den niederrheinischen Straßen war nicht gering.
Doch dann kam der Einfall: „Wir wollten einen eigenen Wagen haben und forschten in der Geschichte. Schließlich bildete die Straßenbahn in Krefeld seit dem Jahr 1883 das Rückgrat des Öffentlichen Nahverkehrs. Wir haben die Pferdebahn rund 120 Jahre nach ihrer Abschaffung wieder zum Leben erweckt.“ Der einzige Unterschied: Das Gefährt der Kutschenfreunde läuft nicht auf Schienen.