Interview Mies’ enge Verbindung zu Krefeld

Dirk Lohan war als Enkel und Architekt ein enger Mitarbeiter von Mies van der Rohe. Eine Spurensuche.

Dirk Lohan im Gespräch mit der WZ beim Besuch des Mies-van-der Rohe-Businessparks.

Dirk Lohan im Gespräch mit der WZ beim Besuch des Mies-van-der Rohe-Businessparks.

Foto: Bischof, Andreas (abi)

Krefeld. Auf die Ähnlichkeit mit Mies van der Rohe wird Dirk Lohan häufig angesprochen: Er selber ist nicht nur ein bekannter Architekt, sondern auch der Enkel von Ludwig Mies van der Rohe. Der ist heute weltweit als Berliner Avantgardist und als Begründer des „International Style“ bekannt. Umso erfreulicher ist es für den 78-Jährigen, dass in dem Gespräch mit der WZ, am Rande der Eröffnung von Interface im Mies-van-der-Rohe-Businesspark, die erst mit den Jahren auftretende gewisse Ähnlichkeit der beiden keine Rolle spielt. Vielmehr geht es in den 30 Minuten um eine Spurensuche, was ihn selbst, Mies van der Rohe und die Stadt Krefeld miteinander verbindet — und um eine Liebeserklärung an die Architektur.

Wie ist es zu der Einladung von Interface gekommen?

Dirk Lohan: Ich arbeite als Architekt schon seit Jahrzehnten mit Interface in den USA zusammen. Ein befreundeter, amerikanischer Architekt hatte mir von dem geplanten Umzug der Deutschland-Zentrale auf diesen Campus hier erzählt und mich gefragt, ob ich als Gastredner zur Eröffnung kommen könne. Da ich derzeit wegen der Nationalgalerie in Berlin bin, konnte ich das terminlich zusammenlegen.

Haben Sie zuvor schon einmal das von Ihrem Großvater für die Verseidag gebaute Fabrikations- und Verwaltungsgebäude in Natura gesehen?

Lohan: Nein. Ich kannte es bislang nur aus Büchern. Das Besondere daran ist ja, dass es der einzige Industriebau ist, den er je gemacht hat. Er hat zwar wenige Jahre später (1940) in den USA das Illinois Institute of Technology entworfen, aber das war eine Universität. Umso erstaunlicher ist, jetzt wo ich hier bin und es selber sehe, wie modern es noch heute ist. Als ob es erst vor ein paar Jahren gebaut worden wäre.

Es hat also fast 90 Jahre gedauert, bis die 1930 angestrebte Moderne in der Architektur ihren festen Platz gefunden hat? Legen Sie als Architekt Wert auf die Moderne?

Lohan: Bei meinen Arbeiten lege ich Wert darauf, nicht so modisch zu denken, sondern langfristig. Eine gute Architektur muss die Gültigkeit für ein paar Jahrzehnte haben. Und dies sehe ich auch hier.

Waren Sie zuvor schon einmal in Krefeld?

Lohan: Ja, insgesamt schon fünfmal. Allerdings nicht, als vor drei Jahren das Modell eines von ihm nie realisierten Golfclubhauses auf dem Egelsberg aufgebaut wurde. Das erste Mal war ich 1957 als Abiturient in Krefeld, als ich eine kleine Architekturreise zu den Häusern meines Großvaters gemacht habe. Da habe ich mir erstmals die von ihm gebauten Häuser Lange und Esters angeschaut. Hermann Lange und Mies waren ja gut befreundet. Lange wusste damals, dass es ihm nach der Machtergreifung von Hitler nicht gut ging. Also hat er ihm Aufträge gegeben.

Viele fragen sich noch heute, wie der Kontakt zwischen dem Berliner Architekten und Bauhaus-Direktor und den Krefelder Seidenfabrikanten entstand?

Lohan: Das habe ich mich auch immer gefragt. Inzwischen vermute ich, der Kontakt ist über Lilly Reich zustande gekommen.

Wieso?

Lohan: Sie hat als Innenausstatterin viele Jahre mit Mies zusammengearbeitet (Anmerkung: beim Barcelona Pavillon und dem Haus Tugendhat.). Dabei hat sie gerne mit Seide gearbeitet. Seide, die sie vermutlich von der Verseidag in Krefeld bezogen hat. Ich erinnere mich, dass mein Großvater Jahre später für die von ihm entworfenen hängenden Wände der Neuen Nationalgalerie in Berlin drei große frei schwebende Vorhänge aus Shantung-Seide vorgeschlagen hatte. Dort wurden sie nicht realisiert, dafür aber im Chicagoer Art-Club, den er später eingerichtet hat. So ist aller Voraussicht nach der Kontakt zwischen Mies van der Rohe und Hermann Lange in Krefeld zustande gekommen.

Sie haben Deutschland als junger Mann verlassen, um am Illinois Institute of Technologie ihr Architekturstudium zu beginnen und haben später mit ihrem Großvater zusammengearbeitet. Ist das ein Fluch oder ein Segen gewesen?

Lohan: Das hatte Vor- und Nachteile. Deshalb bin ich froh, dass ich nicht denselben Nachnamen trage wie er. Inzwischen bin ich so weise, dass ich es zu schätzen weiß, dass er mein Großvater ist. Ich verehre ihn sehr, weil er ein großer Architekt war. Ich hatte einen engen, intensiven Kontakt in den späten Jahren zu ihm und es gefiel ihm auch, dass er einen Enkelsohn, die Betonung liegt auf Sohn, als Architekten hatte. Er selber hatte ja „nur“ drei Töchter. Als er starb (Anmerkung: 1969), fühlte ich mich verpflichtet, seinen Nachlass in die Hände zu nehmen, alles zu sortieren, an Museen zu geben und das Architekturbüro weiterzuführen. 2004 habe ich mein Eigenes eröffnet.

Laut ihrer Philosophie muss Architektur nicht nur auf ökonomische, sondern auch auf soziale Bedingungen reagieren. Wie ist das zu erreichen?

Lohan: Indem Architekten, Stadtplaner und Bauherren miteinander reden und sich fragen, wie die Menschheit heute lebt. Ich bin sehr daran interessiert, Orte für Gemeinschaften zu bilden, wo Menschen glücklich und zufrieden sein können. Deshalb habe ich nur wenige Privathäuser, dafür aber viele Schulen, Kulturstätten und Hotels gebaut, bei denen ich die Bauherren von meiner Idee überzeugt habe.

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