Melancholische Songs in vielen Farben

Die Berliner Schauspielerin Meret Becker begeistert in der Friedenskirche ihr Publikum mit traurigen Gesangseinlagen.

Melancholische Songs in vielen Farben
Foto: Andreas Bischof

„Hat Ihnen eigentlich jemand gesagt, dass es heute Abend nur lauter traurige Liebeslieder gibt?“, fragt Meret Becker rhetorisch ihr Publikum und schießt gleich hinterher: „Herzlichen Glückwunsch zur Eintrittskarte!“ Die zahlreichen Gäste ihres Konzerts in der Friedenskirche quittieren es mit einem Lächeln. Die Schauspielertochter und selbst erfolgreiche Schauspielerin — als Berliner Tatort-Kommissarin Nina Rubin gerade im Fernsehen so präsent wie lange nicht mehr — stellte hier die Songs ihres Albums „Deins & Done“ vor und erntete am Ende stehende Ovationen.

Becker startet mit einer „Fremdkomposition“, nämlich „All my Mistakes“ des dänischen Sängers Teitur, und gibt mit der zarten Ballade eine melancholische Stimmung vor, die sie dann aber doch nicht den ganzen Abend durchhält. Paradoxerweise nämlich kann Becker ihre Traurigkeit stimmlich und musikalisch in viele Farben kleiden. Zum Grau der Traurigkeit gesellen sich da viele Pastelltöne.

Begleitet wird Becker von den Backgroundsängern Christiane Hommelsheim und David Gaffney, dem Perkussionisten Tayfun Schulzke und vor allem Buddy Sacher an der Dobrogitarre. Becker selbst spielt Gitarre, E-Piano, Xylophon, singende Säge, Melodica und weitere Kleininstrumente inklusive einer Tröte. Dass alle zusammen nicht übermächtig auf die Pauke hauen, muss eigentlich nicht betont werden. Man ist sich auch der problematischen Akustik des Kirchenraums bewusst. „Hier entwickelt der Klang 4,5 Sekunden Verzögerung“, erklärt Becker, da müsse man sehr deutlich sprechen.

Die Arrangements sind dezent, aber vielfarbig und aussagekräftig. Jedes Lied bekommt gewissermaßen seinen ganz eigenen Charakter, der aber meist eher skizziert wird. Herausragend ist dabei Sachers Gitarrenarbeit. Oftmals macht er nur das gerade Notwendige. Das kann eine einfache Melodie ohne weitere Akkord-Begleitung sein, manchmal reichen ihm auch schon ein paar hingetupfte Flageoletts.

Becker und ihre Band sind also Meister der Reduktion. Umso berührender gelingen da manche Songs, ohne jemals in falsches Pathos, gar Kitsch abzugleiten. Rein genremäßig changiert das Programm zwischen Country und Folk, Chanson, ein wenig Pop und einer Prise Blues. Ein Beatles- und ein Tom-Waits-Cover setzen Akzente, ohne den Rahmen zu sprengen.

Die Texte sind meist englisch, ein paar wenige auf Deutsch, und Becker trifft auch gesanglich immer den richtigen Ton, will sagen die passende Stimmungslage. Sie ist nicht die überragende Sängerin, deren Stimme allein jedermann umhaut. Dafür klingt sie mal fragil und gebrochen, dann wieder spöttelnd und skeptisch oder auch fordernd — stets so, wie es halt passt und die Zuhörer dann auch scheinbar umweglos erreicht.

Ihre Überleitungen zwischen den Songs reichert die Wahl-Berlinerin mit Anekdoten, Witzen, Kalauern und auch launigen Lebensweisheiten an. Dabei schafft sie es stets, direkt und authentisch zu wirken, obwohl die meisten Gags fest zum Programm gehören. Das kann man im Internet überprüfen. Becker ist halt auch eine gute Schauspielerin, verkauft einem die einstudierte Show glaubhaft als taufrische Improvisation. Nur dass am Ende ein Trinklied steht, das Becker als Hommage an ihren Bruder Ben und Harald Juhnke deklariert und das sie dann auch noch damit beglaubigt, dass sie eine Flasche Bier auf ex trinkt, will irgendwie zu dem zauberhaft-charmanten Abend nicht passen. Aber geschenkt . . .

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