Musik Mehr Jazz, aber nicht weniger unterhaltsam

Krefeld · Kultur trotz Corona Das Horst-Hansen-Trio zeigt sich auf seiner neuen CD „Live in Japan“ stark verbessert.

 Das Horst-Hansen-Trio mit (v.l.): Lukas Weber, Linus Klitzing, Carsten Hackler, Sebastian Ascher und Till Menzer.

Das Horst-Hansen-Trio mit (v.l.): Lukas Weber, Linus Klitzing, Carsten Hackler, Sebastian Ascher und Till Menzer.

Foto: Eike Toellner

Den Musikern der Krefelder Jazzband mit dem irreführenden Namen Horst-Hansen-Trio geht es in diesen Tagen wie vielen anderen Künstlern. Sie sitzen zu Hause und warten ab. Dabei hatten sie gerade jetzt viel vor. Eine Tour durch ganz Deutschland war geplant. Anlass wäre die Vorstellung des neuen Albums „Live in Japan“ gewesen, aber das kann man sich ja auch als Tonträger oder digital besorgen, und das lohnt sich. Das vierte Studioalbum der Band ist ein beachtliches Gesellenstück.

Gegründet hat sich die Gruppe 2010 als Schülerband. Bis 2019 blieb man in der Gründungsformation zusammen. Das waren Lukas Weber, Saxophone, Tobias Foller, E-Gitarre, Carsten Hackler, Keyboards, Lars Leibl, E-Bass, und Till Menzer, Schlagzeug. Im letzten Sommer verließen Foller und Leibl die Band, um beruflich andere Wege zu gehen. Trompeter Linus Klitzing und Bassist Sebastian Ascher sind mehr als ein passabler Ersatz. Alle – bis auf Menzer, der schon in Weimar Musik studiert hat – belegen derzeit den Studiengang Jazz an der Musikhochschule Köln.

Ja, die Band war und ist ein Quintett, kein Trio, immer noch treiben die Musiker als Band ein Rollenspiel. Angeblich sind sie die heutige Besetzung einer in den 1960er Jahren von einem Horst Hansen gegründeten Formation. Diesem Gründungsmythos geben die Musiker auf ihrem aktuellen Album neue Nahrung. Mehrfach werden Ausschnitte aus einem angeblichen Interview dieses Herrn Hansen mit einem Inselradio eingestreut, das aus den 1980er Jahren stammen soll. Lassen wir es vorerst dabei, dass diese Mini-Hörspiele zum einen ganz witzig sind, andererseits hören sie sich ziemlich authentisch an. Mmh, dem müsste man eigentlich mal nachgehen . . .

Wichtiger aber ist hier erst einmal die Musik. Die Band ist zum Freiburger Label Jazzhaus gewechselt, dieses Umfeld passt zur neuen Scheibe. Bot das letzte Album „Auf’m Teppich“ eine Mischung aus Fusion-Jazz, Pop, psychedelischer Rock-Musik und Drum’n’Bass, hat sich der stilistische Rahmen nun eindeutig Richtung Jazz verschoben.

Überjazz nannten und nennen die Musiker selbst ihren Stilmix. Dem Anspruch zu vermitteln, dass Jazz doch auch unterhaltsam sein kann, werden die Musiker spielfreudig immer noch gerecht.

Formal bauten sich die Stücke bisher meist sehr minimalistisch als Reihung von Kleinformen auf, woraus sich dann harmonisch oftmals schnell ein Übersättigungseffekt ergab. Diese Zeiten sind offenbar vorbei. Nicht nur, dass sich die Musiker instrumentaltechnisch deutlich auf höherem Niveau bewegen, sie haben für sich auch verzweigtere Strukturen entdeckt, die dann auch gleich oftmals über Basis-Song-Schemata hinausweisen. Fast alle Stücke haben eine individuelle Collage-Form. Tempo- und Rhythmuswechsel, immer wieder eingestreute harmonielose Duo-Passagen zwischen dem Drummer und Solisten, teilweise komplexere Harmoniegerüste (Changes) und manches mehr machen die Stücke abwechslungsreich und spannend.

Keyboarder Hackler zeigt sich stark verbessert, verblüfft mit einer weiten Soundpalette, auf der sich Synthiesounds aus den Anfangszeiten der elektronischen Musik, ein verzerrtes E-Piano, der Klang einer Hammondorgel, aber auch das gute alte akustische Klavier finden.

Saxophonist Weber, der meist Alt-, aber auch Sopransaxophon spielt, hatte immer schon einen bemerkenswerten Klang, seine Phrasierung und seine Melodien haben an Prägnanz und Bandbreite gewonnen. Dass er jetzt mit dem Trompeter Linus Klitzing, der ebenfalls über eine sehr flüssige Instrumentalsprache verfügt, die kleinste aller möglichen Bläsersatzvariationen bilden kann, ist eine tolle Bereicherung. Etwa mit ihren knackigen Neo-Bop-Themen erfreuen die beiden sicher auch jeden Hardcore-Jazzfan.

Bassist Sebastian Ascher spielt überwiegend einen E-Bass mit Bündchen, ein Stück gestaltet er völlig allein – und sehr gelungen – auf dem Kontrabass, allein das ein Qualitätsbeweis. Drummer Till Menzer wechselt bei seinen binären Fusionbeats noch öfter zwischen straighter und offener Spielweise, und auch im guten alten triolischen Jazz-Idiom ist er inzwischen gut unterwegs. Mit seinem Variantenreichtum bildet er für das Spiel der Band nicht nur ein sicheres Rückgrat, er steuert eine ganz eigene Farbe bei.

Insgesamt: ein Jazz-Album, das Spaß macht, ohne sich anzubiedern, das alte Fans nicht abschrecken und neue Fans gewinnen sollte. Auf die Krefelder Präsentationskonzerte, die dann hoffentlich im Herbst im Jazzkeller nachgeholt werden können, kann man sich freuen.

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