Interview Marc Blondin: „Das kriegt die AfD selbst hin“

CDU-Chef Marc Blondin spricht im WZ-Interview über die harsche Kritik der WerteUnion, den CDA-Ärger, die große Koalition und eine Partei, die er scheitern sieht.

Interview: Marc Blondin: „Das kriegt die AfD selbst hin“
Foto: CDU

Natürlich hängt die Bildung der großen Koalition in Berlin am Ende an der SPD-Basis. Überall. In Krefeld wäre diese Konstellation allerdings auch für die CDU von besonderer Bedeutung, weil sie derzeit aus den eigenen Reihen unter Beschuss steht. Die WerteUnion Niederrhein kritisiert die Krefelder Christdemokraten als profillos und will künftig eine gewichtige Rolle spielen. Im WZ-Interview versucht Krefelds CDU-Chef Marc Blondin den Spagat.

Herr Blondin, die WerteUnion Niederrhein formiert sich mit dem Ziel, der Krefelder CDU ihre DNA zurückzugeben. Freuen Sie sich?

Marc Blondin: Die CDU bezieht ihre Stärke seit jeher daraus, dass wir verschiedene Strömungen zusammenführen. Liberale, Konservative und Christlich-Soziale sollen sich bei uns gleichermaßen zu Hause fühlen. Dass man das immer wieder neu ausbalancieren muss, gehört zu den selbstverständlichen Aufgaben aller, die in unserer Partei Verantwortung tragen. Letztlich geht es mir darum, dass wir gesellschaftlich mehrheitsfähig sind, auch hier bei uns in Krefeld.

Wagener bezeichnete die CDU-Führung wiederholt als profillos und führungsschwach. Wie gehen Sie mit derlei Komplimenten um?

Blondin: Gerald Wagener gehört zu denjenigen, bei denen man immer genau weiß, wo man dran ist. Das schätze ich an ihm. Er sagt ja auch ganz klar, wenn er etwas gut findet. Jürgen Wettingfeld lobt er als exzellenten Stadtplaner, Kerstin Radomski hat er im Bundestagswahlkampf unterstützt, meine Entscheidung zum Rückzug der CDU aus einem Straßenfest mit Linksextremen hat er öffentlich begrüßt. Er hat da, glaube ich, eine durchaus differenzierte Meinung.

Empfinden Sie es darum als Schlag ins Gesicht, dass Ratskollegen wie Simone Roemer die WerteUnion und deren Einstellung unterstützen?

Blondin: Das muss jedes unserer Ratsmitglieder für sich entscheiden. Als ganz so konservativ nehme ich Simone Roemer eigentlich gar nicht wahr. Sie nimmt sich wichtiger Themen an, die anderen vielleicht zu heikel wären. Ich denke da zum Beispiel an ihren Einsatz gegen die Ausbeutung von Prostituierten. Dafür und für vieles andere respektiere ich sie sehr.

Zuletzt gab es auch herbe Kritik von der CDA, die CDU würde ihre Mitglieder als Stimmvieh betrachten. Wütende Jugend oder berechtigte Kritik?

Blondin: Es gibt zu diesem Thema in der CDA sehr unterschiedliche Meinungen. Die Debatten dort waren in den letzten anderthalb Jahren deutlich lebhafter als früher. Das ist nicht von vornherein schlecht. Wichtig ist, dass Kritik als konstruktiv wahrgenommen wird. Wenn das nicht der Fall ist, verbaut man sich Chancen, was ich im konkreten Fall sehr schade fände.

Nach der Kampagnen-Androhung Wageners gegen eigene Kandidaten haben Sie intern für Frieden gesorgt. Einen trügerischen, scheint es.

Blondin: Wir haben viele eigenständige Charaktere in unserer Partei, Frieden kommt da nicht von selbst und bleibt auch nicht von alleine. Man muss da immer wieder den Dialog suchen und führen. Das mag manchmal ein mühsames Geschäft sein, aber das gehört zu den Grundpflichten eines Parteivorsitzenden.

Braucht die CDU die Werte-Union, um die nächste Kommunalwahl zu gewinnen. Wenn ja, warum?

Blondin: Die CDU muss eine breite Koalition ganz unterschiedlicher Kräfte in unserer Stadtgesellschaft schmieden. Wir haben bei uns Leute, die zum Beispiel das Thema Zuwanderung sehr kritisch sehen, und andere aus unseren Reihen engagieren sich in der Flüchtlingshilfe. Wir dürfen die einen nicht verlieren an Alternativen, die keine sind, und müssen uns gleichzeitig hüten, die anderen vor den Kopf zu stoßen. Das ist nicht immer ganz leicht, aber nur so kann es gehen.

Ist die WerteUnion in der Lage, die AfD zu schwächen?

Blondin: Das kriegt die AfD mit der Zeit, glaube ich, selber hin. Der aus Hamburg importierte Bundestagsabgeordnete fordert beim Neujahrsempfang, nicht bei Türken zu kaufen. Muss man mehr über eine Partei wissen? Ich halte übrigens die Interpretation für völlig falsch, die AfD sei ein Sammelbecken enttäuschter Konservativer. Wenn man sich Wählerwanderungsströme anschaut, dann kommen viele Stimmen dieser Partei auch von ganz links.

Die WerteUnion gibt Angela Merkel und „selbstversorgenden Ich-AGs“ der Partei die Schuld für die Spaltung der CDU. Würden Sie das so unterschreiben?

Blondin: Die CDU ist nicht gespalten. Angela Merkel genießt in der Partei enormen Rückhalt, und zugleich zeigt die Zusammenstellung der Verhandlungsgruppen bei den Koalitionsgesprächen, wie breit die CDU personell aufgestellt ist.

Ist die GroKo eine zufriedenstellende Lösung für Sie?

Blondin: Nach Lage der Dinge ist sie die einzige Lösung. Politik macht man immer in der wirklichen Welt, in der Welt, so wie sie ist. Nachdem die Jamaika-Verhandlungen gescheitert sind, bleibt nur noch diese Variante, wenn wir wieder eine stabile Regierung für vier Jahre haben wollen.

Schulz will Minister werden. Geht es den Menschen in der großen Politik doch zuerst um sich selbst?

Blondin: Das würde ich ihm gar nicht mal unterstellen. Es ist wahrscheinlich nicht verkehrt, wenn die Spitzen der Koalitionsparteien auch mit am Kabinettstisch sitzen. Die „Menschen in der großen Politik“ sind übrigens Leute wie Du und ich — da findet man nichts, was man anderswo nicht auch antrifft.

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