Krefelder Handballer: Roschecks Reise zur EM ist zu Ende

Der Krefelder war der Newcomer in der deutschen EM-Auswahl . Jetzt ist er schon wieder zu Hause. Dabei fängt die Handball-EM gerade erst richtig an.

Der deutsche Handball-Nationalspieler Bastian Roscheck. Für den gebürtigen Krefelder hat Bundestrainer Christian Prokop keine Verwendung mehr.

Der deutsche Handball-Nationalspieler Bastian Roscheck. Für den gebürtigen Krefelder hat Bundestrainer Christian Prokop keine Verwendung mehr.

Foto: Monika Skolimowska

Leipzig/Düsseldorf. Die Stimme klingt angeschlagen, heiser. Bastian Roscheck sitzt Donnerstagabend irgendwo in Dessau. Dabei sollte er eigentlich in Kroatien sein. Und sich dort mit den deutschen Handballern auf das Zwischenrunden-Spiel am Freitag gegen Tschechien (18.15 Uhr) vorbereiten. Aber Roscheck ist raus.

Die eigene Hochzeit hatte er abgesagt. Weil Bundestrainer Christian Prokop ihn zur EM-Vorbereitung bestellte. Es folgte das erste Länderspiel in der Vorbereitung, zwei EM-Spiele kamen hinzu. Dann die Entscheidung: Für den gebürtigen Krefelder hat Bundestrainer Christian Prokop keine Verwendung mehr. Halt auf freier Strecke. Für Roscheck die Höchststrafe. „Ich habe mich wirklich riesig auf die großen Aufgaben gefreut. Als Taktik-Fanatiker so oft vor solchen Spielen zu stehen, das war schon klasse.“

Statt Roscheck, den gebürtigen Krefelder, der seit fünf Jahren beim Handball—Erstligisten SC DHfK Leipzig spielt, rückt Finn Lemke heran, 2,10 Meter groß, Typ: Brecher. Lemke ist das Gegenteil von Roscheck, dem eher kleinen Kreisläufer. Prokop, der bei dieser EM in den großen Fußstapfen seines erfolgreichen Vorgängers Dagur Sigurdsson wandelt und dabei ins Straucheln zu geraten scheint, hat nach zwei Spielen korrigiert, was ihm Fachleute tagelang um die Ohren gehauen haben: auf Lemke zu verzichten. Auf den Europameister von 2016. Auf die Kante, die im dritten Vorrundenspiel gegen Mazedonien zünden sollte. Trotzdem gelang nur ein Remis: Das deutsche Handball-Team geht belastet in die nächste Runde.

Gestern verlässt Roscheck das Teamlager der DHB-Auswahl in Zagreb. Beim 25:25-Remis im dritten Spiel gegen Mazedonien in Zagreb hat er noch zugesehen. Jetzt hat er genug. Nichts wie weg. In Roscheck rumort es spürbar. Aber er sagt: „Es geht nicht um mich. Es geht um den deutschen Handball. Es war eine rein taktische Entscheidung, es lag nur an der Ausrichtung. Und nicht an meiner Leistung in den ersten beiden Spielen.“ Roscheck redet sich das alles nicht schön. Er sagt, was ist. „Ich war schon sehr enttäuscht. Gerade, wenn man sportlich Vieles richtig macht, ist es hart, das zu akzeptieren. Aber es geht weiter. Ich habe immer in meiner Karriere versucht, nach Enttäuschungen schnell aufzustehen.“ Das hat ihn weit gebracht. Bis zu seiner ersten EM.

Lemke ist beliebt im Team, das ließen die Teamkollegen öffentlich durchblicken — vor und nach dessen Rückkehr. Roscheck verliert trotzdem kein böses Wort. „Die haben sich alle persönlich fair verhalten“, sagt er. Trotzdem spürt man, dass der 26-Jährige wie viele Beobachter vom deutschen Team noch nicht restlos überzeugt ist. „Es war schon zu sehen, dass wir in Sachen taktischer Disziplin bei den ersten beiden Spielen Nachholbedarf haben.“

Roscheck weiß, wie Prokop tickt. Er hat lange mit ihm in Leipzig gearbeitet. Prokop hat ihn gegen Widerstände in die DHB-Auswahl geholt. Jetzt lässt er ihn fallen. Ist der Druck für den 39-jährigen Trainer in Kroatien tatsächlich so hoch? Roscheck stärkt Prokop noch den Rücken: „Er hat immer gesagt, dass so ein Wechsel möglich ist. Und er hat immer darauf verwiesen, dass der Kader 20 Spieler hat und nicht nur die 16, die hier sind.“ Und: „Es ist schon so, dass der Druck bei so einer EM tatsächlich sehr hoch ist.“

Was macht er selbst jetzt? Eine kurze Handball-Pause. Abschalten. Und fern studieren: Er macht seinen Master in Wirtschaftspsychologie. Die Hochzeit, die am 6. Januar mit Freundin Linda — ebenfalls eine Krefelderin — steigen sollte, ist verschoben. „Da gibt es noch keinen neuen Termin. Das gehen wir locker an.“ Er will schnell zurück in den Leipziger Alltag. „Wir haben einen neuen Trainer. Ich will da jetzt helfen, weil andere Spieler noch bei der EM sind.“

Erst einmal musste er gestern Abend Sturm „Friederike“ trotzen und nach Leipzig kommen: Am Morgen um 10 Uhr ist er von Zagreb nach Berlin geflogen. Dann mit dem Regionalexpress nach Bad Belzig und dem Taxi von dort nach Dessau. Jetzt geht es weiter mit dem Mietwagen nach Leipzig. Zu allem Überfluss eine wahre Odyssee auf der Heimreise: Roscheck hat jetzt wirklich genug. Von allem.

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