Serie: Bauhaus-Buchstaben László Moholy-Nagy: Die Schrift zum Mann, der mit der Kamera malte

Krefeld · Design-Studierende haben sich von Bauhaus-Persönlichkeiten zu Typografien inspirieren lassen. Wir zeigen eine Auswahl. Folge 1: László Moholy-Nagy.

 Diese Bauhaus-Buchstaben orientieren sich an den Formen, die in den Gemälden von László Moholy-Nagy eine wichtige Rolle spielten: Dreiecken, Linien, Kreisen und Halbkreisen. Die Schrift heißt dkr-László2.

Diese Bauhaus-Buchstaben orientieren sich an den Formen, die in den Gemälden von László Moholy-Nagy eine wichtige Rolle spielten: Dreiecken, Linien, Kreisen und Halbkreisen. Die Schrift heißt dkr-László2.

Foto: Hochschule Niederrhein

Die Entwickler der hier gezeigten Schrift (sie heißt dkr-László2) sind tief ins Gesamtwerk von László Moholy-Nagy gegangen, um die entscheidende Inspiration zu finden. Sie haben viele seiner Bilder und Fotografien durchgeschaut und sind schließlich bei den Gemälden geblieben. Ihr Lieblingsbeispiel heißt „Komposition A XXI“ und stammt aus dem Jahr 1925. Die dort abgebildeten Dreiecke, Linien, Kreise und Halbkreise bilden den Schwerpunkt der Buchstaben und Zeichen.

Die Gruppe, die diese Typografie entwickelt hat, ist eine von 23, die sich in den zurückliegenden beiden Semestern an der Hochschule Niederrhein an Bauhaus-Persönlichkeiten orientiert hat. Sie nahmen Leben und Werk als Grundlage für ihre Konzepte. Wir stellen eine Auswahl der Schriften und die dazugehörigen Künstler vor.

László Moholy-Nagy (1895-1946) war ein Macher: Fotograf, Typograf, Filmer, Maler und Bühnenbildner. Er befreite die Fotografie aus ihrer dienenden Funktion des bloßen Abbildens und machte sie zur Kunst. Dabei war das Bauhaus überhaupt keine Bildungsanstalt für Fotografen. Vielmehr leitete dieser gebürtige Ungar dort den Vorkurs und die Metallwerkstatt. Eine eigene Fotoklasse gab es erst unter Walter Peterhans in den Jahren 1929 bis 1933.

 Die Erfinder der Schrift: Nils Knell, Annika Strehlau und Karoline Delger.

Die Erfinder der Schrift: Nils Knell, Annika Strehlau und Karoline Delger.

Foto: Ja/Hochschule

Dennoch ist Moholy-Nagy der kreative Kopf in allen Disziplinen der Kamera-Kunst. Als Zeitgenosse von Rodschenko, Eisenstein und El Lissitzky war er der große Theoretiker dieser Sparte. Er sah in der Fotografie die Gestaltung des Lichts und war mithin der wichtigste Vorfahr von Zero. Zugleich pochte er auf das soziale Engagement des Künstlers beim Aufbau einer neuen Welt. Diese Vision ging leider nicht in Erfüllung, kein Künstler konnte die Welt vor dem Zweiten Weltkrieg retten.

Ab 1922 entstanden die Fotogramme

Doch beginnen wir von vorn: 1919 kam der 24-Jährige als Korrespondent der Kunstzeitschrift „MA“ über Wien nach Berlin, wo er auf das Zentrum der expressionistischen Musik und Literatur in Herwarth Waldens Galerie „Der Sturm“ stieß und sich mit den Dadaisten anfreundete. Das „Neue Sehen“, wie er es in seinem noch heute lesenswerten Buch „Malerei, Photographie, Film“ von 1925 darlegte, war alles andere als eine festgefügte Dokumentarfotografie. In seinem Denken und Handeln kamen Konstruktivismus, Dadaismus und Surrealismus zur Einheit. Er gilt daher als das „mediale Universalgenie“ und als „aktiver Fotomonteur der deutschen Avantgarde“, wie es Franziska Schmidt im Auktionskatalog zum Bauhaus bei Grisebach beschreibt. Moholy-Nagy schuf ab 1922 Fotogramme, kameralose Lichtmalereien, die den Becher-Schüler Thomas Ruff noch heute begeistern, so dass er ihnen in seiner digitalen Kunst auf der Spur ist.

Fotogramme, Fotomontagen, Fotocollagen, Mehrfachbelichtungen und Negativmontagen, Langzeit- und Simultanaufnahmen, Überblendungen und Umkehrungen, Schattenwirkungen und Tonkontraste, Schärfen und Unschärfen, Fehler und technische Raffinessen – das alles waren die Stilformen des „Neuen Sehens“. Wollte man das Werk dieses Mannes erforschen, bräuchte man mehr als nur ein Studium. Denn auch die Solarisation gehört dazu, die die Fotografie als Zeichnung erscheinen lässt. Der Negativabzug taucht ein Kirchenportal in überirdisch-göttliches Licht. Fotomontagen lassen Körper durch Mauern schweben. Schablonen verschmelzen im Spiel farbiger Lichter. Was wie ein ABC der Effekte wirkt, ist längst zur Inspirationsquelle der jungen und jüngsten Generation geworden. Mit Moholy-Nagy kamen Utopie und Aufbruchsgeist ins ursprünglich als mittelalterliche Bauhütte konzipierte Bauhaus.

Einen Namen machte sich der Künstler aber auch als Dokumentarfilmer von „Großstadtzigeunern“ im Berliner Arbeiterviertel. Der Nachwelt ist er bekannt als Gestalter der Bauhaus-Publikationen. Den Malern bewies er, dass man auch mit der Kamera malen kann. Er pflegte Papierschnipsel, Spiralen, Federn und Blumen auf Fotopapier zu legen. die Entwicklerflüssigkeit tat das Ihrige.

Er schuf Lichtspiele und wurde zum Vorbild der Inszenierungskünste. Berühmt wurde sein Licht-Raum-Modulator, ein kinetisches Objekt, mit dem er diese Effekte in die Dreidimensionalität übersetzte. 1928 verließ er das Bauhaus und ging nach Berlin. Dort arbeitete er als Typograf und Bühnengestalter an der Krolloper, wo er als Szenograf seine Technikbegeisterung auslebte. Er wäre gewiss in Berlin geblieben, so aber emigrierte er aus Hitler-Deutschland 1934 nach Chicago und gründete die Nachfolgeeinrichtung des Bauhauses, School of Design 1938/39. Er starb in Chicago 1946 mit 51 Jahren an Leukämie. Sein Enkel ist Daniel Hug, der geniale Chef der Art Cologne, der Art Berlin und der Cofa.

Wie sehr der Künstler auch heute noch gefragt ist, geht aus der Foto-Frühjahrsaktion von 2018 bei Grisebach hervor. Da erreichte ein seltenes Fotogramm den Zuschlag erst bei 488 000 Euro. Das Auktionshaus sprach von einem „Quantensprung auf dem deutschen Fotomarkt“.

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