Pflegebedarfsplanung ab 2017 Kurzzeitpflege ist „Knochenarbeit“

Personalmangel und hohe Kosten sind für Christian Ramrath Gründe, weshalb so wenig Heime Plätze für Menschen anbieten, die nur übergangsweise fachmännisch versorgt werden müssen.

Pflegebedarfsplanung ab 2017: Kurzzeitpflege ist „Knochenarbeit“
Foto: A. Bischof

Krefeld. Voraussichtlich Ende August schließt Christian Ramrath seine Einrichtung für Kurzzeitpflege mit 20 Betten am Jungfernweg, das einzige Haus seiner Art, das auch in Notfällen am Abend oder Wochenende Pflegebedürftige aufnimmt. Schon jetzt sind Kurzzeitpflegeplätze in Krefeld Mangelware, wie eine Recherche der WZ Mitte Januar gezeigt hat. Während die Stadt nach der Pflegebedarfsplanung das Angebot im Bereich der Stadt Krefeld für ausreichend hält, sieht Ramrath nach 20 Jahren beruflicher Erfahrung die Situation weitaus kritischer. Nicht nur er.

Nach dem WZ-Artikel vom 23. Januar meldete sich in der Redaktion eine ältere Dame (der Name ist der Redaktion bekannt). Im vergangenen Frühjahr lag sie wegen eines Herzinfarktes auf der Intensivstation eines Krefelder Krankenhauses, während dementer Ehemann (94) unversorgt zu Hause blieb. Fünf Tage lang versuchte sie aus dem Krankenhaus heraus, einen Kurzzeitpflegeplatz für ihn zu bekommen. Vergeblich. Ihr Vorschlag, sich gemeinsam mit ihrem Mann ein Patientenzimmer im Krankenhaus zu teilen, wurde von seiten der Klinik abgelehnt. Nur durch eine privat organisierte Hilfe konnte die Versorgung ihres Mannes in den eigenen vier Wänden doch noch gewährleistet werden.

Laut der am Donnerstagabend im Rat beschlossenen Fortschreibung der Pflegebedarfsplanung gibt es in Krefeld derzeit 42 solitäre (feste) Kurzzeitpflegeplätze, ab Mitte 2018 soll die Zahl auf 57 steigen. Hinzu kommen derzeit 127 eingestreute Kurzzeitplätze in den verschiedenen Seniorenheimen. Bei Bedarf werden sie für die stationäre und damit dauerhafte Unterbringung genutzt. Das ist inzwischen fast überall der Fall.

Nach Gründen hierfür gefragt, erzählt Christian Ramrath aus der Praxis. „Während in einem regulären Seniorenheim mit 100 Betten 40 bis 50 Neuaufnahmen im Jahr erfolgen, habe ich im Anna-Deckers-Haus im Monat 30 Neuaufnahmen.“ Rund 400 Pflegebedürftige pro Jahr werden von ihm und seinem Team versorgt. Das besteht aus insgesamt 24 Leuten, acht davon fest angestellt, die anderen sind 400-Euro-Kräfte.

„Diese Versorgung ist nur vernünftig zu betreiben, wenn Sie Alten- und Krankenpflegepersonal mischen.“ So viele Patienten kämen inzwischen aus den Kliniken zu ihm, dass es ohne krankenpflegerische Kenntnisse nicht ginge. Das sei ein nicht zu unterschätzender Kostenfaktor.

Erschwerend komme hinzu, dass in Krefeld inzwischen das Pflegepersonal fehlt. Schichtarbeit morgens zwischen 6 und 11 Uhr und am Abend, Wochenendarbeit zweimal im Monat, zwölf Tage hintereinander Dienst — und das bei einer durchschnittlichen, anfänglichen Bezahlung von 2300 bis 2400 brutto im Monat. „Das ist Knochenarbeit“, sagt Ramrath, der selbst ausgebildeter Krankenpfleger ist und voll mitarbeitet. Da müsste die Politik auf kommunaler wie Bundesebene ansetzen, wenn sie denn tatsächlich „ambulant vor stationär“ und Kurzzeitpflege — wie immer betont — wolle.

Schwierigkeiten bereite auch immer wieder die Abrechnung der Kurzzeitpflege über die entsprechenden Kassen. „Während einige sofort bezahlen, lassen sich andere Wochen oder Monate Zeit“, sagt Ramrath. Häufig müsse auch zunächst geprüft werden, ob und wenn ja, in welcher Pflegestufe der zu Betreuende ist, bevor gezahlt wird.

Während die stationären Seniorenheime für ihre Bewohner bei einer kurzzeitigen Unterbringung im Krankenhaus weiterhin das monatliche Geld von der Pflegekasse erhalten, ist das laut Ramrath umgekehrt nicht so. Für einen Bewohner, den er am Tag seiner Entlassung in ein Altenheim morgens noch wäscht und versorgt, bekommt die Kurzzeitpflegeeinrichtung für diesen Tag kein Geld, auch nicht anteilig. „Wer kann es sich denn leisten, umsonst zu arbeiten?“

Christian Ramrath hat sein Pulver nach 22 Jahren Selbstständigkeit verschossen, wie er selbst sagt. Im Herbst wechselt der 51-Jährige deshalb in ein Angestelltenverhältnis. Dennoch ist er nicht müde zu betonen, dass sich im Bereich Kurzzeitpflege dringend etwas ändern müsse. „Nicht die Versorgung der Menschen steht im Vordergrund, sondern die Wirtschaftlichkeit,“ sagt er mit Bedauern.

Die stationären Heime würden aufgrund des Personalnotstands und der höheren Kosten der Kurzzeitpflege lieber auf stationäre Versorgung setzen. Zumal die Belegung der Kurzzeitpflegeplätze von Woche zu Woche unterschiedlich und nicht planbar sei. Das notwendige, kostspielige Personal müsse aber dennoch von der Einrichtung kontinuierlich vorgehalten werden.

Ramrath würde sich wünschen, dass alle Träger der Krefelder Altenheime quartiersbezogen feste Kurzzeitpflegeplätze anbieten. Dann wäre die Situation entspannter.

Das glaubt auch die ältere WZ-Leserin. Die Dame hofft, nicht noch einmal in eine vergleichbare Notsituation zu kommen, wie sie sie mit ihrem dementen Mann im vergangenen Jahr erlebt hat.

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