Krefeld Kunstexperte Raue zum Streit um die Mondrian-Werke: „Die Stadt hat nichts zu verstecken“

Kunstexperte und Rechtsanwalt Peter Raue vertritt Krefeld im Fall Mondrian gegen dessen Erben.

Krefeld: Kunstexperte Raue zum Streit um die Mondrian-Werke: „Die Stadt hat nichts zu verstecken“
Foto: Felix Stang, Berlin

Krefeld. Acht Mondrian-Werke und viele unbeantwortete Fragen — der Streit um die Gemälde im Kaiser-Wilhelm-Museum wird dauern. Vor etwa anderthalb Wochen ist öffentlich geworden, dass sogenannte Erben des Künstlers Piet Mondrian durch einen Anwalt versuchen, die Stadt dazu zu bringen, vier Werke des Künstlers herauszugeben. Insgesamt wollen sie auch einen Schadensersatz für vier weitere Arbeiten von Mondrian, die der ehemalige Museumsdirektor (1947—1975) Paul Wember laut der Stadt gegen andere Arbeiten eingetauscht hat. Der Anwalt der Erben, Gunnar Schnabel, hat der Stadt eine Expert Opinion (dt. Experten-Meinung) zukommen lassen, mit der er seine Forderungen belegen will. Die Stadt Krefeld hat nun den Kunst-Anwalt Peter Raue aus Berlin mit dem Fall beauftragt. Er gibt im Interview eine Einschätzung zu dem Fall.

Sehr geehrter Herr Raue, Sie sind von der Stadt mit dem Fall Mondrian betraut worden. Wie ordnen Sie die Debatte ein?

Peter Raue: Der Fall hat eine juristische Komponente und juristisch hat Herr Schnabel null Chancen. Alle Ansprüche, falls es sie je gab, sind verjährt. Falls es sich um eine Leihgabe handelt, wie Herr Schnabel behauptet, dann galt der Vertrag bis zum Ende der Ausstellung. Danach kann zehn Jahre lang eine Rückgabe gefordert werden.

Herr Schnabel wirft der Stadt vor, dass der Besitz der Werke und ihre Herkunft vertuscht werden sollten. Was sagen sie dazu?

Raue: Die Arbeiten sind immer wieder gezeigt worden, nachdem Paul Wember sie in den 50er Jahren gefunden hat. Es ist ausgeschlossen, dass die Erben des unmittelbaren Erben, Harry Holtzmann, das nicht gesehen haben. Die ganze Welt hat die immer wieder ausgestellten Mondrian-Arbeiten gesehen. Es war alles bekannt. Wir wissen nur nicht, wie die Werke ins Museum gekommen sind, aber da gibt es mehrere Möglichkeiten.

Peter Raue, Rechtsanwalt

Sie kannten Paul Wember persönlich, wie schätzen Sie seine Rolle bei der Bewertung der Mondrian-Bilder ein?

Raue: In den 60er Jahren war Krefeld ein Kunst-Mekka. Ich war oft dort. Paul Wember habe ich noch genau vor Augen. Das war ein ganz sensibler und kluger Mann. Er hätte niemals eine Arbeit inventarisiert, wenn er gewusst hätte, dass sie ihm beziehungsweise seinem Museum nicht zusteht. Er hat sofort mit den Nachforschungen zur Herkunft der Bilder begonnen.

Auch wenn der Fall in Deutschland verjährt ist, was sagen sie zu der Drohung, dass Schnabel in den USA klagt?

Raue: Das sehe ich gelassen. Auch in den USA gibt es den Einwand der Verwirkung, der greift, wenn ein Anspruchsteller nicht rechtzeitig nach Bekanntwerden eine Rückgabe fordert. Dass die Bilder in Krefeld sind, ist nun schon etwa 70 Jahre bekannt. Außerdem müsste er für eine Klage in den USA viel Geld in die Hand nehmen. Er macht einen wahnsinnigen Lärm anstatt einfach in Deutschland zu klagen. Er kann ja klagen. Er weiß wohl, dass er juristisch nichts in der Hand hat und die Klage keinen Erfolg haben kann.

Teilen Sie seine Einschätzung, dass die acht Bilder zusammen einen dreistelligen Millionenwert haben?

Raue: Das halte ich für übertrieben.

Was ist mit den anderen vier Bildern, die nicht mehr im Museum sind?

Raue: Für die gilt dasselbe. Auch Herausgabeansprüche hinsichtlich der getauschten Arbeiten sind verjährt.

Hätte sich die Stadt in der Debatte anders verhalten müssen?

Raue: Ich finde, die Stadt hat das toll gemacht. Sie hat nicht emotional reagiert und klar gesagt, dass sie die Werke nicht herrausgeben wird, weil die Ansprüche verjährt sind. Dennoch hat die Stadt einen weiteren Provenienzauftrag (dt: Herkunftsforschung, Anmerkung der Redaktion) erteilt in der Hoffnung, dass die Herkunft der Bilder geklärt werden kann. Gleichgültig, was die Recherche bringt, bleibt es dabei, dass alle Ansprüche verjährt sind.

Sie beziehen sich immer wieder auf den Leihvertrag, die Stadt geht davon aus, dass die Werke von Mondrian geschenkt wurden. Wie passt das zusammen?

Raue: Mondrian hat viel verschenkt, aber auch wir können eine Schenkung weder durch Mondrian noch durch den früheren Museumsdirektor Max Creutz beweisen. Gäbe es eine solche Schenkung, hätte es niemals Herausgabeansprüche gegeben.

Wie sehen Ihre weiteren Schritte aus?

Raue: Es gibt momentan keinen Handlungsbedarf. Es bleibt abzuwarten, wie Herr Schnabel beziehungsweise dessen uns bis heute unbekannten Auftraggeber reagieren.

Haben Sie die Expert Opinion gelesen?

Raue: Ja, ich finde sie in ihrer Polemik fast schon peinlich, konkrete Hinweise, die eine andere rechtliche Beurteilung nach sich ziehen, fehlen.

Was sagen Sie dazu, dass die Stadt die Bilder in dieser Debatte zeigen will?

Raue: Eine gute Idee, die Stadt hat nichts zu verstecken. Wir wollen die Bilder ja auch alle gerne sehen.

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