Kultur Wo bleiben die Kunst-Performances in Krefeld?

Meinung | Krefeld · Durch Kunstaktionen im öffentlichen Raum könnten Kulturschaffende in Krefeld unmittelbar auf aktuelle Situationen wie Corona reagieren. Auch mit Abstandsregeln.

 Performances im Freien – vielleicht eine gute Idee in Zeiten von Social-Distancing? Ein schönes Beispiel für eine Freiluft-Performance war 2016 Move in Town, „Under the Bridge“ von Hartmannmueller unter der A57 Autobahnbrücke.

Performances im Freien – vielleicht eine gute Idee in Zeiten von Social-Distancing? Ein schönes Beispiel für eine Freiluft-Performance war 2016 Move in Town, „Under the Bridge“ von Hartmannmueller unter der A57 Autobahnbrücke.

Foto: Bischof, Andreas (abi)

Es mag in vielen Fällen stimmen, dass der Konjunktiv der Tod von Kulturjournalismus ist. Es muss ja nicht mal der Konjunktiv Irrealis sein.

Aber manchmal unter besonderen Umständen – und sind wir nicht gerade jetzt in der Corona-Zeit doch in sehr besonderen Umständen – darf es auch mal heißen: „Was wäre wenn...“. Und in der Tat scheint das, was in diesem Artikel zum eigentlichen Thema werden solle, derzeit – noch – ein kulturelles Desiderat in Krefeld zu sein.

Wenngleich, soviel sei gesagt, es ja durchaus auch stattlich schöne Beispiele dafür gibt, dass Derartiges schon öfter gut in der Stadt funktioniert hat. Es geht um Kunst-Performances im öffentlichen Raum. Um Interventionen, wie es sexy in Kulturjargon heißt. Und um die Frage, was wäre, wenn just jetzt, in einer Zeit, in der uns so außergewöhnliche Umstände umgeben, Künstler durch Performances in Krefeld in Erscheinung treten würden. Auf die Lage reagierend? Vielleicht auch performative Künstler? Diese Künstler sind von den aktuellen Einschränkungen immer noch getroffen. Wenngleich zu beachten gilt, dass Übergänge hier sehr fließend sind, mehr und mehr. Und Kleinkunst oder Musik im Freien oder vor der Haustür gibts ja schon aktuell. Und das ist sehr schön!

Auch Kunst-Performances können durchaus unter den Bedingungen von Corona-Schutzmaßnahmen gemacht werden. Selbst ein einzelner Künstler kann eine solche Performance jederzeit im öffentlichen Raum „zelebrieren“; und als Gruppe ließen sich gewiss unzählige Beispiele aufzeigen, die sogar bei strengsten Abstands-Regeln möglich wären – soviel zu der Frage der Praktikabilität.

Beuys` Soziale Plastik
könnte Vorbild sein

Und die Frage der Sinnhaftigkeit? Diese lässt sich auch gerade aus heutiger Perspektive sehr positiv beantworten. Kunst – und nutzen wir hier doch lieber einen etwas unscharfen und somit sehr breiten Begriff – kann durchaus auch eine sein, die auf aktuelle gesellschaftliche Phänomene direkt und unmittelbar reagiert. Nicht nur, aber auch der große Sohn der Stadt, Joseph Beuys, hat gerade mit seinen Ideen von Kunst genau eine solche Art des Hinaus- und zeitgleich Hineintretens in die Welt vorangetrieben. Ist er auch nicht der Erfinder, aber sicherlich einer der markantesten Fahnenträger der Performance, ja der sogenannten Sozialen Plastik – also dieser Interaktion zwischen Künstler und Öffentlichkeit unter bestimmten den Künstler und die Öffentlichkeit gerade sehr beschäftigenden Vorzeichen.

Die Ursache, wieso ein Künstler in der Öffentlichkeit eine Performance macht, kann sehr vielfältig sein, so wie die Ursache von Kunst sehr vielfältig ist. Was aber ein Grundzug von derartigen Performances oder Aktionen ist, ist, dass sie einen „Impuls“ in die Öffentlichkeit setzten. Meist dadurch, dass sie ästhetisch, künstlerisch oft auch diskursiv oder dialektisch auf etwas, „was in der Luft liegt“, reagieren.

Gerade jetzt liegt viel in der Luft. Viel, was Menschen sehr beschäftigt, existenziell. Teilweise alles andere als „ästhetisierbar“ sondern schlicht und ergreifend das Leben bedrohend. Das ist klar. Aber gerade in solchen sehr schweren und problematischen Zeiten mag ein Hinaustreten der Kunst in die Öffentlichkeit wie eine Erlösung sein. Sowohl für die Künstler als auch für die Menschen, die „Publikum“ sind. So sehr um die finanziellen Nöte der Kulturschaffenden geht es hier nicht einmal; diese müssen indes an anderer Stelle ein zentrales Thema sein, so oder so. Denn mit einer Performance lässt sich auf Anhieb vielleicht nicht ganz so viel Geld verdienen. Aber auch hier gibt es gewiss kreative Lösungen, die durchaus nicht neu sind. Die Performance kann dokumentiert und somit verdinglicht werden.

Sind Ausstellungen und ähnliche Werkschauen zwar wieder unter besonderen Auflagen möglich, so herrscht gefühlt gerade bei den performativen Künsten zurzeit immer noch eine mehr oder minder große Starre – Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel. Apropos Regel, genau diese Regeln, die den performativen Künsten zurzeit noch vorgeschrieben werden, sind eine der tragenden Ursachen für die Schockstarre. Womit wir die Regeln an sich hier gar nicht bewerten wollen. Aber gerade Interaktionen im öffentlichen Raum sind trotz dieser Regeln durchaus auch für performative Künste möglich.

Eine Frage aber ist; ist es überhaupt derzeit schon möglich künstlerisch zu reagieren? Auf die derzeitige Lebenswirklichkeit. Sind wir nicht noch zu nah – quasi mittendrin? Bedarf es nicht vielleicht einer längeren Reflexionsphase, mögen manche einwenden. Es müsse reifen, sagen eventuell einzelne Künstler.

Aber ist das so? Auf der anderen Seite kann man die Gegenthese formulieren und konstatieren, dass ein impulsives direktes Reagieren, aus dem Moment heraus, eine herausragende Kraft und Energie haben kann, die es bei einem reflektierterem Impuls nicht mehr geben würde.

Ohnehin gehört zur Kunst, dass sie uns immer wieder aufs Neue herausfordert und dass nicht berechenbar ist. Wie etwa die Performances von Hartmanmueller, von derer eine wir als Illustration dieses Artikels ausgesucht haben. Lassen wir uns überraschen – und hoffen, dass gerade jetzt künstlerische Dinge passieren können, die sonst vielleicht unter anderen Umständen nicht hätten geschehen können.

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