Wie Frauen im Iran ihr Leben zurückerobern

Die Opernsängerin Isabelle Razawi war gerade zu Besuch in der Heimat ihres Eltern. Was sie dort erlebte, gibt ihr Hoffnung.

Krefeld. Sie kommt leichten Schrittes die Straße herunter, blaue Augen, schwarze Haare — Isabelle Razawi versprüht Leben. Die Opernsängerin und Schauspielerin hat, wie man es heute politisch korrekt nennt, Migrationshintergrund. Ihr Vater kam aus Persien, lernte ihre Mutter beim Studium in Deutschland kennen. 1967 gingen die beiden nach Teheran.

Als Ausländer wurde er abgeschoben, erzählt Razawi, und das obwohl er mit einer Deutschen verheiratet war. Er wurde dann aber von einem deutschen Unternehmen engagiert und arbeitete im bayerischen Erlangen. Tochter Isabelle wurde 1971 in Nürnberg geboren und bekam später noch zwei jüngere Brüder.

Berühmt ist ihr Name: Alle Razawis, die sich eigentlich mit „v“ schreiben (ein Übertragungsfehler deutscher Behörden) stammen von Iman Reza Razavi ab. Er lebte im 8. Jahrhundert. „Sein Schrein in der Millionenstadt Mashad bedeutet für Schiiten das Hauptheiligtum nach Mekka“, sagt sie. Vor einigen Wochen war sie dort.

Nun zeigt sie Bilder dieses Grabmals: eine glänzende goldene Kuppel und Mosaike in Türkis-, Blau- und Grüntönen mit Gold. Isabelle Razawi war dort gerade auf Familienbesuch. Ihr Vater ist in der Nähe von Mashad aufgewachsen und kennt seine Heimat wie seine Westentasche. Nach seiner Pensionierung spezialisierte er sich auf thematische Reiseführungen in den Iran. Und so begleitete ihn seine Tochter jetzt, kurz vor den Wahlen, in die Stadt im Osten, an der berühmten Seidenstraße gelegen.

Isabelle Razawi, die im Iran in der Öffentlichkeit so wie alle anderen Frauen einen Schador trägt, kam mit ihrem Vater auch in den Genuss einer besonderen Führung. Als er dann erwähnte, dass sie Sängerin ist, schloss ihr Gastgeber die Öffentlichkeit aus, indem er alle Türen zumachte. Und sie sang eine Opernarie — „das war ein wunderschöner Raum mit großartiger Akustik“, sagt sie. Eigentlich dürfen Sängerinnen im Iran nicht öffentlich auftreten, daher die verschlossenen Türen.

Auch an anderer Stelle hat Razawi Freiheiten ausgemacht, die sie bei früheren Reisen nicht bemerkt hat. „Manche Frauen tragen heute Sandalen und Nagellack — das war vorher nicht denkbar. Und sie tragen ihren Schleier so, dass man die Haare sehen kann. Ziemlich sexy“, sagt sie.

Sie sieht eine „sanfte gesellschaftliche Revolution“ im Gange: „Frauen holen sich Bereiche zurück.“ 80 Prozent der iranischen Frauen seien berufstätig und erhielten das gleiche Gehalt wie Männer. „Frauen im Iran sind schön und bewegen sich sehr selbstbewusst in ihrem erlaubten Rahmen“, ist ihr aufgefallen.

Sie sieht bei den Menschen im Iran eine „unbändige Lebensfreude“. Ihre zahlreichen Cousins und Cousinen, Tanten und Onkel haben sie im privaten Rahmen immer wieder um Kostproben gebeten. „Ich musste ständig singen“, sagt sie amüsiert. In Krefeld hat sie das von 2004 bis 2011 am Stadttheater getan; seitdem ist sie in Sachen Musical zu Liederabenden, Kirchenkonzerten und als Mitarbeiterin der WZ-Kulturseite unterwegs.

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