Musik Wie ein Krefelder Chor Corona trotzt

Krefeld · Der Schönhausen-Chor kehrt mit „The Music of Stillness“ im Mies-van-der-Rohe-Businesspark auf die Bühne zurück. Wir haben ihn bei einer Probe begleitet.

 Chor trotzt Corona: Schönhausen-Chor probt auf Abstand mit mannshohen Folien und viel Raum im Café Ludwig. Dort gibt es auch das nächste Konzert vor Publikum.

Chor trotzt Corona: Schönhausen-Chor probt auf Abstand mit mannshohen Folien und viel Raum im Café Ludwig. Dort gibt es auch das nächste Konzert vor Publikum.

Foto: abi/Andreas Bischof

Alte Fabrikhallen haben sich in den letzten Jahren mit ihrem industriellen Charme zu beliebten Veranstaltungsorten entwickelt. Für Rockkonzerte und Kunstausstellungen werden die sonst leerstehenden Räumlichkeiten gerne genutzt. Dank ihrer Größe und den dadurch ermöglichten Abständen werden sie nun zunehmend auch in Bereichen interessant, für die sie zuvor nicht infrage kamen.

Die Sänger proben für
das Konzert seit Juni

Im Café Ludwig des Mies-van-der-Rohe-Business-Parks, dem ehemaligen Zentrum der Seidenindustrie, darf zum Beispiel am Sonntag, dem 4. Oktober der Schönhausen-Chor sein erstes Konzert seit Monaten spielen. In der weitläufigen Halle ist es problemlos möglich, sowohl zwischen den Sängern, als auch zwischen den Zuschauern Abstände einzuplanen, zwischen Bühne und Tribüne sogar vier Meter. Um trotz der geringen Anzahl an Plätzen möglichst vielen Menschen den Besuch zu ermöglichen, singt der Chor das auf 50 Minuten gekürzte Programm „The Music of Stillness“, benannt nach dem Werk von Elaine Hagenberg gleich zwei Mal hintereinander. Begleitet werden die Sänger dabei vom Klavier und einem Streichquartett.

Für diesen anspruchsvollen Auftritt übt der zurzeit 40-köpfige Chor nun schon seit Juni. Diese lange Zeit war auch dringend nötig. Schließlich mussten sich die Chorsänger an den neuen Raum gewöhnen, der bei weitem nicht nur Vorteile hat. Als bei der Generalprobe am Dienstag Chorleiter Joachim Neugart die Gruppe begrüßte, musste er schon extra deutlich sprechen, damit ihn bei der halligen Akustik auch alle verstehen können. Als er vor die Sänger trat, standen sie bereits im weitläufigen Halbkreis, in dem jeder bereits seinen festen Platz kennt. Dort wo die zwei Meter nicht ganz eingehalten werden konnten, wurden mannshohe Folien aufgestellt. Doch auch wenn das Sprechen in diesem Raum schwer fällt, beim Gesang lässt der Chor diese Probleme schnell vergessen. Neben guter Vorbereitung suchte man sich bewusst Stücke aus, die in diesem Raum funktionieren. Neben einem Intermezzo von Brahms übten die Sänger vor allem neuere Werke ein, die auch am Sonntag auf dem Programmplan stehen werden. Bei den modernen Stücken mit ihren harmonischen Klangteppichen konnten die Sänger mit einer Stimme singen und gemeinsam genug Kraft aufbringen, um dem Raum zu trotzen.

Dabei müssen die Sänger sich noch mehr an die Situationen anpassen, als man von außen vermuten mag. Angesichts der Abstände und der Barrieren hören sie oftmals nur sich selbst, können nur erahnen, was von ihren Nebenleuten zurückkommt. „Man muss sich viel mehr konzentrieren und immer genau wissen, wann man einsetzen muss, weil man sich nicht an den anderen orientieren kann“, erklärte Chormitglied Walter Hauser. Vor allem die hinter den Folien versteckten Musiker wirkten auf der Bühne isoliert und fühlen sich auch so.

Auch die festen Plätze erschweren es den Sängern, die Musik in all ihren Facetten verstehen zu lernen. Zwar hilft es dabei, sich auf den Raum einzustellen. Die durchaus ambitionierten Sänger des Schönhausen-Chors sind es aber gewohnt, im Laufe der Vorbereitung alle Stimmlagen mal in direkter Nachbarschaft hören zu können und den Klang aus verschiedenen Perspektiven zu hören. Doch auch diese Herausforderungen nimmt der Chor sportlich.

Ohnehin – und da sind sich alle Sänger einig – ist das alles besser als die Zeit von März bis Juni, wo gar keine gemeinsame Probe möglich war und wenn überhaupt nur alleine gesungen werden konnte, um die Stimme fit zu halten. „Chorsingen ist vor allem eine soziale Aktivität“, erzählt Chorsängerin Hildegard Rother-Hauser. Das wöchentliche Ritual fehlte den Sängern so sehr, dass zum ersten Mal auch in den Sommerferien weiter geprobt wurde. Während manche Chöre in der Zeit in Kleingruppen zusammen sangen, kam das für den Chor nämlich nicht in Frage. Es habe für sie keinen Sinn, nur in Teilen zu üben. Man könne nur sagen, ob die Performance gut sei, wenn alle Stimmen beisammen sind. Anders als bei den meisten anderen Hobbys fehlte den Chorsängern bei der Latenz, der Verzögerung, bei Videochats natürlich auch die Möglichkeit, über das Internet Ersatzproben abzuhalten.

Wie gut sich die Sänger gemeinsam auf die besondere Situation eingestellt haben, davon kann sich jeder bei der Doppelvorstellung am Sonntag selbst ein Bild machen. Es sind noch Tickets verfügbar, die über die Homepage des Chors bestellbar sind. Natürlich sind die Tickets personalisiert und es müssen Adresse und Kontaktmöglichkeit hinterlegt werden. Wer den Chor doch lieber in einem traditionelleren Umfeld erleben will, der hat am 6. Dezember auch wieder die Möglichkeit dazu. In der Lutherkirche gibt es dann ein Adventskonzert des Chores.

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