Verlassen, verloren, verraten . . .

Einfühlsamer „LiedGut“-Abend im Theater begeistert die Zuhörer.

Verlassen, verloren, verraten . . .
Foto: Theater

Krefeld. Der Liedgesang ist eine besondere Herausforderung für jeden Sänger. Anstelle eines ganzen Operabends bleiben pro Lied nur wenige Minuten, um Inhalt und Stimmung punktgenau zu vermitteln. Um diesem anspruchsvollen und beliebten Genre besondere Aufmerksamkeit zu widmen, gibt es seit letzter Spielzeit die Reihe „LiedGut“. Dirigent und Pianist Michael Preiser hat das Format konzipiert, er moderiert und begleitet die Abende am Klavier. Unter dem Titel „Verlassen, verloren, verraten. . .“ war jetzt die fünfte Folge der Reihe und zugleich der erste Abend in der neuen Spielzeit zu erleben.

Ort ist immer die Bühne des Theaters, auf der auch das Publikum platziert ist. Die Weite des Bühnenraums und der freie Blick in den leeren Zuschauerraum stehen einer intimen Atmosphäre, wie sie der Liedgesang erfordert, eigentlich entgegen. Doch auch diesmal schafften die Akteure es wieder, eine Beziehung zum Publikum aufzubauen.

Agnes Thorsteins und Panagiota Sofroniadou, beide Mitglieder im Opernstudio, widmeten sich tragischen Frauenschicksalen von der Antike bis heute. Musikalisch wurde dabei der Bogen von Joseph Haydn bis Arnold Schönberg gespannt. Den Auftakt machte die 1789 von Haydn geschriebene Kantate „Arianna a Naxos“, der ein mythologischer Stoff zugrunde liegt.

In der Kantate beklagt die von ihrem Geliebten Theseus auf der Insel Naxos zurückgelassene Ariadne ihr Schicksal. Als intimes Stück mit musikdramatischen Elementen kündigte Preiser die für Klavier geschriebene Kantate an. Von der verträumten Stimmung zu Beginn, wenn Ariadne erwacht und erst allmählich ihre Situation begreift, bis hin zu ihren leidenschaftlichen Ausbrüchen und Todessehnsüchten charakterisierte Agnes Thorsteins mit ihrem warm und voll klingenden Mezzosopran die Facetten dieses Stückes.

Ins 19. Jahrhundert und damit in die Hochblüte des Liedgesangs führte ein Block mit Liedern von Franz Schubert, Johannes Brahms und Carl Loewe. Sopranistin Panagiota Sofroniadou verkörperte sehr einfühlsam eine unglückliche Königin in Schuberts schauerlicher Ballade „Der Zwerg“ und zweimal Gretchen aus Goethes „Faust“.

Während Schubert in „Gretchen am Spinnrad“ die Unruhe des verliebten Mädchens mit dem Laufen des Spinnrads musikalisch kongenial verbindet, hat Loewe Gretchens Reue und Verzweiflung in dem Gebet „Ach neige, Du Schmerzenreiche . . .“ in den Fokus gerückt.

Von Loewe stammt auch das Lied „Walpurgisnacht“, das einen munteren Mutter-Tochter Dialog zum Thema hat. Mit diesem humorvollen Stück setzte die Sopranistin vor der Pause einen gelungenen Akzent.

Im zweiten Teil zeigte Sofroniadou mit dem Lied „Jane Grey“ von Arnold Schönberg, dass ihr auch die weniger romantische Musik des frühen 20. Jahrhunderts sehr liegt. Ihr silberheller und durchdringender Sopran passte gerade hier perfekt.

Den Schlussteil des insgesamt sehr vielseitig zusammengestellten Programms bestritt wieder Agnes Thorsteins mit einem Klassiker des Liedgesangs. Robert Schumanns Zyklus „Frauenliebe und -leben“ haben schon viele berühmte Sängerinnen interpretiert. Mit einer erstaunlichen Reife in der Interpretation und ihrer schön geführten Stimme muss sich die junge Künstlerin hinter den großen Kolleginnen nicht verstecken.

Michael Preiser erwies sich am Steinway-Flügel als zuverlässiger und einfühlsamer Begleiter. Das Publikum bedankte sich mit viel Applaus.

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