Literatur Vom Niederrhein in die Welt und zurück

Krefeld · Die weitgereiste Mönchengladbacher Autorin Ulla Lenze erhält den Krefelder Niederrheinischen Literaturpreis.

 Ulla Lenze ist Preisträgerin des Niederrheinischen Literaturpreises 2020.

Ulla Lenze ist Preisträgerin des Niederrheinischen Literaturpreises 2020.

Foto: Julien Menand

Der diesjährige Niederrheinische Literaturpreis der Stadt Krefeld geht an Ulla Lenze (46). Das ist Grund genug, die Schriftstellerin und ihre Arbeit vorzustellen.

Bereits mit sechzehn Jahren trieb es die gebürtige Mönchengladbacherin Lenze voller Neugier in die Welt, in ihr unbekannte Kulturkreise. So verbrachte sie einige Monate in Indien und suchte Verständnis für andere als die eigenen Lebensformen zu entwickeln. Sie beschäftigte der Gedanke, selbst in einer Illusion zu leben, dass es doch ganz andere Lebensumstände geben könnte als die ihr bekannten, als die hier gelebten. Diese möglichen Unterschiede wollte sie erfahren. Nach sechs Monaten zurück aus Indien machte sie ihr Abitur und studierte zunächst Indologie und Anglistik in Heidelberg, stellte aber dann fest, dass dies nicht unbedingt ihr vorrangiges Interesse bedeutete, die Musik war wichtiger.

Sie bestand, nach intensiver Vorbereitung, die Aufnahmeprüfung an der Musikhochschule Köln, befasste sich mit Musik und Philosophie. Im entscheidenden Moment nach dem Examen setzte sie jedoch alles auf eine Karte, wollte als Schriftstellerin leben, verbrachte einige Monate in Indien, eine Zeit voller Inspiration und wusste, dass sie als Schriftstellerin leben wollte, dass dies ihr Weg sei und kein anderer.

Schriftstellerin kann man nicht als Beruf „erlernen“, es muss sich entwickeln, so die Autorin. Und Autorin war sie schon mit 13 Jahren, als sie den Preis des „Treffen junger Autoren“ gewann. Das Schreiben war so bereits ein wesentlicher Teil des Lebens. Ihr erster Roman „Schwester und Bruder“ erschien 2003 im Dumont-Verlag in Köln. Zuvor war die Autorin Mitglied der Autorenwerkstatt der Kölner Universität, in der Texte vorgestellt und diskutiert wurden. Der Lektor des Dumont-Verlags erkannte das Potenzial die Autorin und veröffentlichte ihren ersten Roman, der sofort erfolgreich wurde und den „Jürgen-Ponto-Preis“ für den besten Debut-Roman in 2003 erhielt. In eben diesem Jahr las Ulla Lenze in Klagenfurt beim Ingeborg Bachmann Wettbewerb und gewann den „Ernst-Willner-Preis“ für den zu diesem Zeitpunkt noch unveröffentlichten Roman.

Immer wieder beschäftigt sich die Autorin in ihren Romanen wie „Schwester und Bruder“, „Archanu“ oder „Die endlose Stadt“ mit dem Leben der Menschen in anderen Kulturen. Sie will den Menschen in fremden Kulturen auf ernsthafte Weise begegnen und sucht damit die Auseinandersetzung zwischen unserer und uns unbekannten Lebensformen. Für sie ist diese Auseinandersetzung kein Selbstzweck, sie dient nicht der Selbstfindung, sie ist Befreiung und Erfahrung. Über diese Thematik hinaus beschäftigt sie sich Verlust, Trauer und Tod („Der kleine Rest des Todes“) oder mit dem Spannungsverhältnis von Künstlertum, Kapitalismus und Globalisierung. Ihre Kenntnis der indischen Kultur führte zu der Einladung, den damaligen Außenminister Frank-Walter Steinmeier als kulturelle Botschafterin, als Schriftstellerin, auf seiner Reise nach Neu Delhi zu begleiten. Weitere Einladungen folgten durch das Goethe - Institut und die Frankfurter Buchmesse hauptsächlich in die Länder der östlichen Hemisphäre.

Ihr neuester Roman „Der Empfänger“ ist ein historischer Roman, der zwischen dem Niederrhein, New York und Südamerika spielt und die Schuld und Verantwortung des Einzelnen während der NS-Zeit reflektiert. Mit dem Niederrheinischen Literaturpreis, der mit 10 000 Euro dotiert ist, wird diese Kulturen reflektierende schriftstellerische Arbeit der Autorin gewürdigt. Ihre Darstellungen schaffen Anregungen, sich mit ihrem Werk und der darin enthaltenen Thematik zu befassen und nachzudenken.

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