Neues Stück Theater Krefeld zeigt Dreigroschenoper in der Pathologie

Das Theater Krefeld verlegt Bertolt Brechts Dreigroschenoper zum Start in die neue Spielzeit in die Pathologie.

 Mackie-Messer-Darsteller Michael Ophelders und Carolin Schupa, die in der Dreigroschenoper Polly Peachum spielt, bei den Proben.

Mackie-Messer-Darsteller Michael Ophelders und Carolin Schupa, die in der Dreigroschenoper Polly Peachum spielt, bei den Proben.

Foto: Matthias Stutte

Der Tod ist in der Dreigroschenoper omnipräsent. Das wird gleich im ersten Stück deutlich, der „Moritat von Mackie Messer“. „Die Hymne eines Massenmörders“, sagt Regisseurin Helen Malkowsky. Sie ist verantwortlich für die Inszenierung der Dreigroschenoper, die zum Auftakt der Saison ab Sonntag im Theater Krefeld zu sehen ist. „Man hat das Stück so in Fleisch und Blut, dass man gar nicht gleich an den Tod denkt“, sagt Malkowsky. Doch betrachtet man die zentralen Themen in Bertolt Brechts Theater-Klassiker – das Verbrechen und die Armut – wird deutlich, dass beide mit dem Tod Hand in Hand gehen. Zudem ist die Kapitalismus-Kritik in der Dreigroschenoper erschreckend aktuell: „Die Bettelei, wie sie von Brecht karikiert wurde, ist heute gang und gäbe“, sagt Malkowsky. Drückerkolonnen, gespielte Behinderungen, die Armut als Geschäft. „Peachums erster Satz dazu lautet: ‚Wach‘ auf, du verrotteter Christ’. Auch das ist aktuell“, so Malkowsky.

Diese Gemengelage gab für die Regisseurin und ihr Team den Anstoß für eine außergewöhnliche Inszenierung: „Wir haben uns gefragt: Was, wenn wir dieses immer wieder auferstandene Stück auf den Seziertisch legen? So sind wir in der Pathologie gelandet.“

Als Vorbild diente das sogenannte Anatomische Theater. Diese theatralisch inszenierten Obduktionen dienten im 18. und 19. Jahrhundert der Fortbildung von Studenten, aber auch Schaulustige waren zugelassen. In der Pathologie des Krefelder Theaters wird Macheath zum Professor, der arbeitet und schneidet. Er bekommt seine eigene Geschichte auf den Seziertisch.

Denn alle anderen Protagonisten kommen aus den Kühlkammern, zunächst als Leichen. „Sie sind tot, aber doch nicht ganz“, erklärt Dramaturg Thomas Blockhaus. Die Figuren erwachten immer wieder zum Leben. „Das geht dann irgendwann ins Absurde, noch dem Motto ‚einer geht noch’“, erklärt Helen Malkowsky. Mackie Messer ist derweil derjenige, der die Sachen beim Namen nennt, Themen wie Endlichkeit und Vergeblichkeit zerlegt und zerschneidet. „Aber lustvoll, und mit Musik.“

Für Malkowsky ist es die erste Inszenierung allein mit Schauspielern. Die Zuschauer des Gemeinschaftstheaters kennen sie bislang nur als Musiktheaterregisseurin. Natürlich ist das Ensemble am Theater auch musikalisch bereits sehr erfahren, aber „Sänger sind es mehr gewohnt, musikalisch Emotionen zu transportieren“, erklärt sie den Unterschied. Schauspieler seien interaktiver, und fixierter auf den Text. „In Brechts epischem Theater ist diese Brüchigkeit aber ausdrücklich gewollt“, betont Thomas Blockhaus.

Die größere Herausforderung sei es gewesen, so Malkowsky, die Songs in die Handlung einzubetten, sodass sich ein sinnvolles Ganzes ergibt. Denn die eine Version der Dreigroschenoper gibt es nicht. „Es gibt die Urfassung, die bearbeitete Fassung, die Fassung nach dem Zweiten Weltkrieg“, erklärt Willi Haselbek, der die musikalische Leitung inne hat. Mal wurde dieser Song weggelassen, mal jener Auftritt. „Wir haben nicht alles neu erfunden, aber wir zeigen wohl eine von 100 Versionen, die bereits gespielt wurden“, so Haselbek, der bereits in verschiedenen Dreigroschenoper-Produktionen mitgewirkt hat. Auch die Zusammensetzung des Orchesters habe stets variiert.

Die Dreigroschenoper ist damit ebenso schwer zu fassen, wie seine Hauptfigur. „Mackie Messer ist ein Mythos, den man nie richtig fassen kann“, findet Helen Malkowsky. Er hingegen bekommt sie im Krefelder Theater alle zu fassen: auf seinem Seziertisch.

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