Ein Monolog aus dem Stoff einer griechischen Tragödie Ein Abend mit Antigones Schwester

Krefeld · Schauspielerin Esther Keil steht für ein neues Stück als Ismene alleine auf der Bühne.

Die Inszenierung „Schwester von...“ erzählt die Geschichte von Ismene (Esther Keil).

Die Inszenierung „Schwester von...“ erzählt die Geschichte von Ismene (Esther Keil).

Foto: © Matthias Stutte

Wie ist es, im Schatten einer berühmten Schwester zu stehen, dieser Frage geht die niederländische Schriftstellerin Lot Vekemans in ihrem Stück „Schwester von“ nach. Die Autorin hat für ihr Stück einen Stoff aus der griechischen Tragödie genommen. Denn die Titelfigur ist Ismene, die Schwester der Antigone, die wiederum Sophokles vor dreitausend Jahren zur Heldin seines Dramas gemacht hat. Beide Stücke feiern diese Woche am Krefelder Theater Premiere. Der Monolog „Schwester von“ am Freitag in der Fabrik Heeder, „Antigone“ am Samstag im Stadttheater.

Ihre Eltern haben sich umgebracht – auch ihre Schwester ist tot

Seit Dramaturg Martin Vöhringer Lot Vekemans damals neues Stück vor einigen Jahren in Hamburg sah, hatte er den Wunsch, es auch auf den hiesigen Spielplan zu bringen. „Die Autorin ist eine sehr gute Psychologin, sie kennt sich mit widersprüchlichen Seelenlagen bestens aus“, sagt er. Dass Ismenes seelischer Zustand ein besonderer ist, verwundert nicht. Sie ist die einzige Überlebende einer selbstzerstörerischen Familie.

Ihre Eltern haben sich umgebracht, ihre Brüder haben sich im Kampf um die Herrschaft gegenseitig getötet. Auch Antigone, die darauf bestanden hat, ihren Bruder Polyneikes würdig zu bestatten, ist tot. In „Schwester von“ lässt Ismene ihr Leben und die schrecklichen Ereignisse Revue passieren. „Sie teilt ihre Sicht der Dinge mit und möchte ihren Namen reinwaschen“, sagt Regisseur Sascha Mey dazu. Es geht aber auch um eine Person, die scheinbar keinen eigenen Namen hat, sondern hinter der Dominanz der anderen Familienmitglieder zurückbleibt.

Wie von der Geschichte vergessen, lebt sie in einem nicht näher definierten Raum. „Die Zuschauer kommen zu ihr, sie lebt schon lange in diesem Raum“, sagt Esther Keil, die Ismene spielt. Die Schauspielerin hat viele Widersprüchlichkeiten in der von Lot Vekemans geschilderten Figur entdeckt. In Sophokles’ Drama hat sie nur ein knappes Auftreten und verkörpert im Gegensatz zu ihrer leidenschaftlichen Schwester die Stimme der Vernunft. In „Schwester von“ bewundert sie Antigone, verspürt aber auch Neid. „Sie steht im Schatten und hadert damit. Sie zweifelt auch an den Taten ihrer Familie“ sagt Keil. Der Reiz liegt für die Schauspielerin an der Ambivalenz der Figur. „ Sie ist sympathisch, aber wäre man insgeheim nicht doch lieber Antigone?“ fragt sie. Doch Keil gefällt das aktive Verhalten der Figur. „Sie sagt sich: jetzt oder nie!“ Das Stück gibt ihr die Möglichkeit, über alles zu reden. Da die Geschichte von Ismene sehr genau erzählt wird, sind Kenntnisse des antiken Stoffes für das Publikum zwar hilfreich aber keine Voraussetzung, der trotz des dramatischen Stoffes auch humorvolle Züge haben soll.

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