Theater Krefeld : DDR-Orpheus: Inszenierung top, Musik ausbaufähig
Die Version von „Orpheus in der Unterwelt“ im Theater Krefeld als Persiflage der Wende-Zeit funktioniert, auch dank der Schauspiel-Leistung der Sänger.
Bei Operetten – wobei hier bei Offenbachs „Orpheus in der Unterwelt“ die Bezeichnung Opéra bouffe korrekter ist – braucht es Sänger-Darsteller. Sänger, die auch das Schauspielerische jenseits des Musikalischen überzeugend umzusetzen vermögen. Dies war schon bei der ursprünglichen Konzeption von Offenbachs „Orphée aux enfers“ so und muss für die nun in Krefeld gezeigte Version von Hinrich Horstkotte in gesteigertem Maße gelten.
Die auf der Folie der mythischen Geschichte um Orpheus und seine Frau Eurydike aufgezogene politische Gesellschafts-Satire lebte auch schon zu Offenbachs Zeiten von feinen, bisweilen auch roheren Andeutungen. Diese richtig zu pointieren, gelingt eben nur, wenn die Sänger, die auf der Bühne agieren, auch Schauspieler, Komödianten sind. Und welch Glück, dass die Sänger am Theater Krefeld und Mönchengladbach genau diese Qualität haben. Die Produktion, bei der Horstkotte sowohl für die Regie als auch die Kostüme verantwortlich zeichnete, in herrlich ironischen Bühnenbildern von Martin Dolnik, hatte schon letztes Jahr in Mönchengladbach Premiere und wurde nun – wie am Hause üblich – in Krefeld ebenfalls als Premiere tituliert, übernommen. Und ja, es ist ein riesengroßer Spaß mit einem überzeugenden mutig mit dem Originalmaterial spielenden, zugleich aber sehr gefälligen Konzept.
Die Idee ist überraschend, funktionierte aber hervorragend. Die Geschichte wird just in die DDR verschoben. Orpheus ist ein vom Staat geschätzter Geiger – Geiger ist er auch bei Offenbach –, die Götter sind die regierenden Politiker um Erich Jupiter (alias Honecker). Und Eurydike lässt sich – wie auch bei Offenbach sehr gerne, weil die Ehe eh am Ende ist – von Pluto, der hier ein westdeutscher Halbwelt-Rotlicht-Boss ist, in den Westen, sprich: die Unterwelt, entführen. Garniert mit wunderbar klischeehaften Ostalgie-Bildern, gespickt mit viel Wortwitz und mancher Alberei.
Horstkotte greift kompromisslos in den Original-Text ein
Horstkotte hat über Offenbachs Musik einen gänzlich neuen Text gedichtet, der die Geschichte ganz aus dieser Perspektive erzählt. Kompromisslos wird in das Original eingegriffen, was hier aber vollkommen in Ordnung ist. Lediglich muss klar gekennzeichnet werden, dass es sich hier um eine Neudichtung des Regisseurs, eine Überschreibung, handelt, die sich zwar dramaturgisch am Original entlanghangelt, aber alles neu deutet. Unter diesen Vorzeichen funktioniert die Persiflage, an deren Ende der Mauerfall stehen wird, gut. Die Ost-Klischees sind derart überzogen, dass wir sie gerade deshalb durchaus schlucken dürfen, die Figuren derart überzeichnet, dass der heitere Spaß niemals in den Verdacht gerät, hier würde jemand versuchen die DDR zu verklären, oder noch schlimmer: die Menschen im Osten zu brüskieren.
An Qualität gewinnt das Ganze nicht zuletzt durch den zauberhaften – mit perfektem Akzent gesprochenen – Auftritt von Michael Grosse, dem Generalintendanten, in der Halb-Sprech-Rolle des John Styx, alias DDR-Komiker und im Westen gefallener Eberhard Cohrs. Aber auch Gabriela Kuhn, Öffentliche Meinung alias Mutti Merkel, eine auch gesanglich glänzende Eurydike, herrlich sächselnd, gespielt von Sophie Witte, Hayk Deinyan als Jupiter (Honecker) oder auch die stimmlich herausragende Susanne Seefing als Cupido, gleichwie der ebenfalls auch gesanglich überzeugende Aristeus (West-Pluto), Rafael Bruck, sind positiv zu erwähnen.