Theater : Bedrückendes Schauspiel im Bunker
Krefeld. Die Inszenierung der „Flüchtlingsgespräche“ von Brecht wirkt in dem Krefelder Gebäude beängstigend real.
Das letzte Wort hat der große Dichter selbst. Bertolt Brechts Stimme begleitet Kalle, den politischen Flüchtling auf seinem Weg in die Dunkelheit. Ziffel, ebenfalls ein Flüchtling, ist da bereits abgeführt. Zu diesem Zeitpunkt ist das Publikum schon mitten in der Handlung, Zuschauer und Statist zugleich, integriert in die „Flüchtlingsgespräche“.
Die Akteure der Kresch-Aufführung befinden sich nicht in einem Wartesaal in Helsinki, wie beim flüchtenden Brecht, sondern im Bunker am Krefelder Hauptbahnhof. Eine meisterliche Umsetzung von Regisseur Franz Mestre an einem Ort, wie er passender nicht sein könnte, mit der Idee, die Zuschauer durch eigene Erfahrungen mitfühlen zu lassen.
Die Szenerie ist bedrückend, fast beängstigend real. Zuerst scheint noch die Sonne durch die Oberlichter. Mit dem Verlauf der Handlung wird es kälter, dunkler. Die Straßenbahnen rollen mit dumpfem Geräusch vor dem Gebäude vorbei. Die Zuschauer sitzen hinter geschlossenen Gittern, oder sind die beiden Schauspieler, Arbeiter Kalle oder Physikerin Ziffel, auf der anderen Seite des Gitters die Gefangenen?
Auch das Publikum muss Befehle entgegennehmen
In den eingezäunten Bereich darf das Publikum nur nach einer scharfen Kontrolle des schwarz gekleideten und mit tief in die Stirn gezogener Kapuze dastehenden Sicherheitsdienstes. „Halten Sie ihre Pässe bereit, Handys müssen ausgeschaltet sein“, lauten die Befehle. Jeder wird fotografiert. Alle 60 Menschen folgen ihnen geschlossen, lassen es widerspruchslos zu. Dann sind sie hinter den Gittern und mitten im Stück angekommen.
„Der Pass“, sinniert Kalle, „ist der edelste Teil von einem Menschen. Er kommt auch nicht auf so einfache Weise zustand wie ein Mensch. Ein Mensch kann überall zustandkommen, auf die leichtsinnigste Art und ohne gescheiten Grund, aber ein Pass niemals. Dafür wird er auch anerkannt, wenn er gut ist, während ein Mensch noch so gut sein kann und doch nicht anerkannt wird.“