Tanzfestival Move: Liebe, Macht und die Farbe Rot

Mit „Reading Tosca“ in der ausverkauften Fabrik Heeder startete das Tanzfestival in Krefeld.

Krefeld. Die Oper „Tosca“ von Giacomo Puccini enthält alles, was ein großes Bühnendrama ausmacht: eine Geschichte um leidenschaftliche Liebe und skrupellosen Machtmissbrauch, die tödlich endet. Dazu eine Musik, die mit schönen Melodien und expressiven Passagen die Zuhörer gleichermaßen in ihren Bann schlägt.

Das Ganze in Tanz umzusetzen, ohne die Oper einfach nachzuerzählen, hat jetzt die in Berlin ansässige Choreografin Toula Limnaios versucht. Ihr Stück „Reading Tosca“ war jetzt zur Eröffnung des Tanzfestivals „Move“ in der ausverkauften Fabrik Heeder zu erleben.

Die Bühne ist in kaltes Licht getaucht. Sieben Tänzer, drei Männer und vier Frauen, stehen in schlichter Unterwäsche gekleidet, im Raum. Auf dem Boden sind ihre Körperumrisse mit weißer Linie gezeichnet, wie man es aus Krimis kennt. Man hört Türen zuschlagen und Hundegebell, eine bedrohliche Atmosphäre entsteht.

Die Tänzer beginnen sich zu bewegen, fallen immer wieder innerhalb der Umrisslinien zu Boden, stehen auf und legen die überall verstreuten Kleidungsstücke an. Eine Melodie aus „Tosca“ klingt stark verfremdet an. Mit dem Rücken zum Publikum ändern die Tänzer ständig ihre Positionen, haben zunächst untereinander keinen Kontakt. Später ändert sich das.

Ein Mann dreht die Gliedmaßen zweier Frauen wie Puppen in immer andere Positionen, zwei andere Tänzer agieren in einer Art Zweikampf. Vieles läuft parallel ab, wirkt fragmentarisch. Das spiegelt sich auch in der von Ralf R. Ollertz komponierten Musik wider, der die Puccini-Klänge als Material ganz unterschiedlich einarbeitet.

Er verfremdet nicht nur, sondern isoliert einzelne Sequenzen und Töne, die für einen atmosphärisch dichten Klangteppich sorgen. Die Choreografie sorgt dabei, weitgehend losgelöst von der Opernhandlung, für starke Bilder.

Besonderes Requisit ist ein riesiges rotes Samtkleid, in das im Lauf des Abends alle Akteure einmal schlüpfen. Die leuchtende Farbe evoziert Schönheit, Leidenschaft, aber auch das Blut, das in der Oper ja nicht zu knapp fließt.

Für ein anderes wunderbares Bild sorgt eine Tänzerin, die auf ihre Arme Weingläser geschnallt hat. Mit kunstvollen Bewegungen gelingt es ihr, eine rote Flüssigkeit von Glas zu Glas umzuschütten.

Diese schönen Bilder überdecken fast die anderen Aktionen, in denen Gewalt und Unterdrückung thematisiert werden.

So wirkt selbst eine Szene, bei der zwei Männer in unglaublicher Geschwindigkeit lange Stöcke über den Frauen kreisen lassen und diese nur knapp verfehlen, eher ästhetisch als bedrohlich. Aber vielleicht spiegelt sich auch darin das Wesen der Oper wider, wo bei aller Dramatik doch meist in Schönheit gestorben wird.

So gibt es auch hier nach 70 Minuten am Ende ein grandioses Schlussbild mit dem roten Kleid, das nun die ganze Bühne ausfüllt. Die Musik bricht dazu abrupt ab, ein verstörend-schöner Eindruck bleibt.

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