Tangonacht — eine umjubelte Premiere im Stadttheater

Drei Länder „bereist“ Choreograph Robert North mit seinem neuen Ballettabend. André Parfenovs Musik ist ein Geschenk.

Tangonacht — eine umjubelte Premiere im Stadttheater
Foto: Matthias Stutte

Krefeld. Von Schottland über ein russisches Dorf in die Tangostadt Buenos Aires führt die Reise, die Choreograph Robert North mit seinem Ballettabend „Tangonacht plus . . .“ unternimmt. Zunächst beschwingt, dann gefühlvoll und poetisch, am Ende etwas zu dramatisch — die Stationen bedienen ganz unterschiedliche Gefühlslagen. Abwechslungsreich ist diese Aufführung also in jedem Fall, sie feierte jetzt im Stadttheater ihre umjubelte Premiere.

Bei den „Schottischen Tänzen“ taucht das schottische Karo immer wieder in den sportiven Kostümen auf. Die Musik kommt vom Band, folkloristische, tanzbare Stücke überwiegen. Im Tanz sind am auffälligsten schnelle Schrittkombinationen, die dem schottischen Volkstanz entlehnt scheinen. Als Eröffnungsstück, das ohne große Hürden in den Abend zieht, ist die lebenslustige Choreographie gut geeignet.

Als Mittelstück erlebt man mit der „Chagall-Fantasie“ eine Uraufführung, für die Hauspianist André Parfenov die Musik für ein Trio mit Klavier, Violine und Klarinette komponiert hat. Auf einer kleinen Bühne im Hintergrund führen Parfenov, Klarinettist Jens Singer und Geigerin Juliana Münch das mehrsätzige Stück live auf. Zwar beginnt die Musik mit einer Solokadenz der Geige, später aber dominiert vielleicht zu sehr die Klarinette mit ihren Melodien die gemäßigt moderne Musik, in der ein wenig Klezmer nachklingt.

Die Szene ist dörflich, markiert von Skizzen des großen Malers Chagall, die wie mit Kreide auf Tafeln gemalt scheinen. Die historisierenden Kostüme unterteilen die Akteure in Dörfler, Städter und Soldaten.

Lebensfreude wird in schwungvollen Ensembles dargestellt, mit den Soldaten wird eine Vertreibungsszene gestaltet. Alessandro Borghesani gibt den Maler, der auch einmal ein Häuschen auf dem Rücken trägt, was auf das Exilantenschicksal Chagalls verweist. Ein Pas de deux mit Borghesani und Karine Andrei-Sutter ist der emotionale Höhepunkt des ganzen Abends. Auch wenn im abschließenden Tango-Teil die Gefühle hochkochen, die Innigkeit, mit der Sutter und Borghesani hier agieren, bleibt unerreicht.

Der Bandoneonist Astor Piazzolla wollte den Tango aus der Welt des Amüsements in die Konzertsäle bringen. Für „Stunde Null“, den Tango-Teil des Abends, hat North also eigentlich die falsche Musik ausgesucht, denn die dramatische Eifersuchtsgeschichte einer Frau zwischen zwei Brüdern mit tödlicher Messerstecherei am Ende entspricht jenem Tangoklischee, dem Piazzolla entkommen wollte.

Natürlich funktioniert die Choreographie trotzdem, die größte Aufmerksamkeit erhält aber nicht das unglückliche Liebestrio, sondern Paolo Franco, der wie ein mephistophelischer Kobold über die Bühne pirscht.

Tänzerisch bleibt der Abend konventionell, herausragende Soli sind nicht zu vermelden. Die Auswahl der Länder scheint beliebig, auch wenn der Spannungsbogen über die drei Stationen nicht reißt. Das Glück, von Parfenov abermals eine Originalmusik für ein Ballett geschenkt zu bekommen, wertet den Abend auf.

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