Kultur Steht Krefelds kulturelles Herz still? Fast.

Krefeld · Auch wenn sehr viele Veranstaltungen vorerst abgesagt sind, gibt es dennoch Möglichkeiten, Kultur lebendig zu halten. Beispielsweise Theater per Video.

 Wegen Corona hat das Theater den Spielbetrieb für die Öffentlichkeit vor Ort eingestellt. Doch wird es dennoch eine Premiere von „Rusalka“, deren Bühnenbild im Hintergrund zu sehen ist, geben. Ohne Publikum als Videoübertragung.

Wegen Corona hat das Theater den Spielbetrieb für die Öffentlichkeit vor Ort eingestellt. Doch wird es dennoch eine Premiere von „Rusalka“, deren Bühnenbild im Hintergrund zu sehen ist, geben. Ohne Publikum als Videoübertragung.

Foto: Andreas Bischof

Wir befinden uns in einer sehr außergewöhnlichen Lage, die viele Lebensbereiche betrifft. Die Gesundheit der Menschen steht zurzeit an vorderster Stelle – und man wünscht sich, dass alle Entscheidungen, die jetzt getroffen werden, möglichst helfen, die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen, die Krise möglichst schnell und gut zu überstehen. Aber über die hochkomplexe Lage an sich möchten wir hier nicht sprechen. Lediglich einen Teilaspekt beleuchten, der naturgemäß auf der Kulturseite Platz finden darf.

Bei derartigen Krisen geht es auch um unsere subjektive Sicht, die Empfindungen, die sich aus Erinnerungen, in uns eingebrannten Vorstellungen speisen. Deshalb ist es durchaus legitim zu behaupten, dass für uns – oder besser für den 1981 geborenen Autor dieser Zeilen – der Umstand, dass das kulturelle Leben einer Stadt nahezu in Gänze, aufgrund einer Bedrohung wie ein Virus, ausgesetzt wird, eine gänzlich neue Dimension ist, die wir vorher so noch nicht kannten. Klar, es kam immer schon mal vor, dass Theater schließen mussten, aufgrund aktueller Lagen, dass Vorstellungen ausfielen, weil Künstler erkrankt waren oder auch das der Spielbetrieb aus diesen oder jenen Gründen stockte.

Kultur ist mehr als nur
schöne Unterhaltung

Aber die Versuche die Verbreitung des Virus zu verlangsamen, haben nun dazu geführt, dass nahezu das gesamte kulturelle Leben der Stadt erstarrt. Alle großen Spielstätten, wie auch das Theater, schließen ihre Tore für das Publikum. Wie gestern entschieden wurde, wolle man im Falle des Theater Krefeld und Mönchengladbach dies zunächst für zwei Wochen tun – bis zum 30. März –, um dann nach aktueller Einschätzung der Lage neu zu entscheiden. Wer weiß, aber wie lange diese Schließung wirklich andauern wird. Schauen wir in andere Städte, so sind dort schon längere Schließungen angedacht.

So oder so scheint es in der aktuellen Lage unvermeidlich, so rigorose Schritte zu gehen, das Kulturleben zumindest öffentlich zum Stillstand zu bringen. Aber die Konsequenzen sind dennoch frappierend. Sie sind gewichtiger, als manche denken mögen. Es hängt viel daran. Vor allem auch private Veranstalter, bei denen es keine Subventionen gibt, dürften zurzeit existenzielle Nöte haben. Dies gilt auch für performative Künstler aller Färbung; wie lange werden sie nicht mehr auftreten können? Wie groß werden die finanziellen und künstlerischen Einbußen? Wer hilft?

Kultur ist das pochende Herz unserer Gesellschaft. Das dies nicht übertrieben ist, wird auch dadurch deutlich, wenn wir in schwierige Zeiten in der Vergangenheit blicken. Musik, Theater, Schauspiel, Klein- und Großkunst haben gerade in schwierigen und schwersten Zeiten Menschen geholfen, ihre Sorgen und Nöte zumindest für kurze Zeit zu vergessen. Und bei alledem ist Kunst immer noch mehr als bloße Unterhaltung. Sie hat einen für sich genommenen Wert, der sich nicht in Zwecken messen kann. Sie strahlt in die Gesellschaft aus, spiegelt sie, reflektiert sie. Soll dies plötzlich von heute auf morgen nicht mehr möglich sein?

Wie auch schon im Biedermeier, als Menschen sich in das Private zurückzogen – um es etwas verkürzt zu formulieren – und somit neue Wege des künstlerischen Ausdrucks entstehen konnten, gibt es auch heute Wege. Das Innerliche, das Intime, das auf den einzelnen und seine Belange Bezogene – vielleicht weniger das große ausufernde, höfische Spektakel – war es damals. Heute kann es beispielsweise heißen, dass Musik und Theater trotz der Einschränkungen immer noch weiter lebendig bleibt, nur dass die Art wie sich die Kunst ihren Weg zum Publikum bahnt, sich – zumindest zeitweise – ändern muss.

Videoübertragung birgt
mehrere Aspekte in sich

Nach ähnlichen Beispielen an anderen Kulturinstitutionen, hat sich nun auch das Theater Krefeld und Mönchengladbach entschieden, etwas zu tun, was sowohl für die Künstler als auch das Publikum eine zwar außergewöhnliche aber durchaus kreative Lösung sein kann. Man wird die wegen Corona vorerst abgesagte Premiere von Antonín Dvořáks Oper „Rusalka“ in einer Inszenierung von Ansgar Weigner unter der musikalischen Leitung von Diego Martin-Etxebarria, dennoch stattfinden lassen. Indes ohne Publikum vor Ort, sozusagen als „Geister-Premiere“ – vergleichbar zu einem Geisterspiel im Fußball.

Die Vorstellung wird per Live-Stream, also per Video über das Internet übertragen und kann von Zuschauern über den Youtube-Kanal des Theaters betrachtet werden. Natürlich ist das etwas anderes als wirklich in echt vor Ort zu sein, aber immerhin kann Kunst so immer noch lebendig in die Stadt wirken. Wenn auch nur medial. Es geht nichts über den Zauber des Augenblicks, über die Aura einer Premiere – diese könnte durch den Live-Stream zumindest mittelbar an das Publikum vermittelt werden. Kultur in solchen Zeiten kann so funktionieren.

Aber diese Übertragung hat mehrere Seiten. Einerseits schenkt das Theater dem Publikum so nun doch ein Musiktheatererlebnis, das uns in solchen Zeiten ästhetisch mal in andere Welten entführen kann. Andererseits ist es für alle Menschen im Theater, die Wochen und Monate auf diese Premiere hingearbeitet haben, Sänger, Musiker, alle Backstage-Zauberer und Handwerks-Künstler, die so eine Aufführung erst möglich machen, musikalische und künstlerische Leitung, gewiss sehr wertvoll nun ihre Arbeit doch lebendig werden zu lassen.

Bei unserem Probenbesuch in der vergangenen Woche zeigte sich uns eine sich mit viel Herzblut vorbereitende Künstlerschaft, ein Dirigent, der akribisch an den letzten musikalischen Feinheiten feilte. Die Inszenierung verspricht eine symbolistisch aufgeladene Parabel zu werden, die die Geschichte um die Nixe Rusalka in eine zwischen Realität und Transzendenz changierende Welt überträgt. In eindrucksvollen Szenenbildern geschaffen von Tatjana Ivschina. Es dürfte sich also lohnen, die Premiere „virtuell“ anzuschauen. Und ohnehin, die Hoffnung bleibt, dass eine Aufführung mit Publikum möglichst bald immerhin noch nachgeholt werden kann – auch deshalb arbeitet man weiter. Es gibt nichts Bewegenderes als den so mystischen – mit Vernunft nicht erklärbaren – Zauber, der zwischen Musikern, Sängern und Publikum entstehen kann.

Alle Informationen zu der Video-Übertragung am 15. März ab 18 Uhr finden sich online. Als besonderer Service ist das Programmheft zur Oper auf der Webseite zu „Rusalka“ verfügbar.

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