Stationen eines ungelebtes Lebens

Autorin Jenny Erpenbeck stellt in der Mediothek ihren Roman „Aller Tage Abend“ vor.

Krefeld. Jenny Erpenbeck hat mehrere Berufe gelernt: „Von der Pike auf“ ist sie Buchbinderin, später studierte sie Theaterwissenschaften und Opernregie. Nun reüssiert die 45-Jährige als Schriftstellerin. Auf Einladung des „Anderen Buchladens“ las sie in der Mediothek aus „Aller Tage Abend“.

In diesem Roman beschäftigt sie sich mit dem Tod. Das Schreiben sei ihre Art, „in Ruhe nachzudenken und die Dinge anzusehen“, sagt Erpenbeck. In fünf Kapiteln erzählt sie davon, „wie es gewesen wäre, wenn die Frau nicht gestorben wäre“, erklärt die Schriftstellerin. Sie las aus dreien.

Ihr Roman, der im vergangenen Jahr auf der Auswahlliste zum Deutschen Buchpreis stand, beginnt mit einem Zitat aus der Bibel und schildert den Tod eines Säuglings. Der Ort des Geschehens ist Galizien, um 1900. Aber schon in diesem Abschnitt springt Jenny Erpenbeck in den Zeiten hin und her. In den sieben Tagen Trauer gehen die Gedanken der Mutter zurück und in die Zukunft, in das nicht gelebte Leben ihrer Tochter.

Auf dieses erste Buch — so bezeichnet es die Autorin — folgt ein Intermezzo: Das Kind ist nicht gestorben und lebt als junge Frau in Wien. Wieder 20 Jahre später in Moskau, danach in Berlin.

Väter gibt es in den gelesenen Abschnitten nicht: „Es geht um die abwesenden Väter und die Legenden, die sich um die Abwesenheit bilden“, sagt die in Ost-Berlin geborene Erpenbeck.

Sie gibt ihren Hauptpersonen keine Namen. Auf die Frage nach dem biografischen Anteil in ihrem Werk antwortete sie, dass die Stationen dem Leben ihrer Großmutter entnommen seien, nicht aber die Geschichte: „Die Biografie meiner Großmutter ist zu gut, um sie nicht zu nehmen.“

Jenny Erpenbeck: „Aller Tage Abend“. München, 2012, 19,99 Euro

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