Forschung Als Frauen plötzlich auf der Straße rauchten

Ein Projekt des Stadtarchivs nimmt die Weimarer Republik unter die Lupe. Unterlagen und Fotos gesucht.

Olaf Richter, Leiter des Stadtarchivs Krefeld, und die Historikerin Stefanie van de Kerkhof.

Olaf Richter, Leiter des Stadtarchivs Krefeld, und die Historikerin Stefanie van de Kerkhof.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Wenn über die Weimarer Republik gesprochen wird, dann oft aus einem Blickwinkel, der vor allem das Ende dieser Zeit in den Fokus rückt. Wie wurde die nationalsozialistische Bewegung immer stärker? Wie hat sich die erste Demokratie in der deutschen Geschichte zu einer NS-Diktatur entwickelt? Spannende Fragen, die auch schon von vielen Wissenschaftlern aus unterschiedlichen Blickwinkeln untersucht wurden. Stefanie van de Kerkhof hat sich in ihrem neuen Forschungsprojekt aber ganz bewusst für einen anderen Ansatz, eine andere Perspektive entschieden. Für das Stadtarchiv nimmt die Historikerin die Industriekultur und Konsumgeschichte Krefelds unter die Lupe – und zwar von den Anfängen der Weimarer Republik ausgehend.

Ende 2016 ist die Idee zu dem Forschungsprojekt entstanden, das Teil eines Großprojektes der Landschaftsverbände zum Bauhaus-Jubiläum 2019 ist. Der Landschaftsverband Rheinland (LVR) übernimmt einen Großteil der Finanzierung, die Stadt Krefeld unterstützt die Forschungen ebenfalls. Zudem gibt es noch mehrere Geldgeber, die kleinere Beträge zusteuern, wie der Leiter des Archivs, Olaf Richter, sagt.

Seit dem Frühsommer arbeitet sich Stefanie van de Kerkhof sich durch alte Zeitungsartikel und andere Aufzeichnungen. Eines hat die Historikerin, die unter anderem als Privatdozentin an der Universität Mannheim arbeitet, dabei schnell festgestellt: „Es gibt für diese Zeit für Krefeld und die Region nur wenige Quelen.“ Die Projektleiterin sucht daher noch nach Aufzeichnungen und Fotos, und sie behilft sich mit anderen Archiven und untersucht etwa auch die Geschichte von Unternehmen, die mit Krefelder Firmen zu tun hatten.

Mit der Verseidag AG, den Chemischen Werken und  der TAG (Textile Ausrüstungsgesellschaft) untersucht van de Kerkhof in dem für zwei Jahren angelegten Projekt drei bedeutende Unternehmen der Samt- und Seidenstadt genauer, zudem schaut sie sich aber auch die gesellschaftliche Entwicklung an. „Geprägt war die Zeit vor allem von einem wachsenden Freizeit- und Konsumangebot, das nicht mehr nur der elitären Oberschicht zur Verfügung stand.“ Karneval, Filmvorführungen, Pferderennen – das konnten sich plötzlich viel mehr Leute leisten. Auch Zigaretten, die seit den 20er Jahren auch von Frauen öffentlich auf der Straße geraucht wurden. „Die Geschlechterrollen weichten ein wenig auf.“ Rauchende Frauen waren ein Symbol dafür.

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