Sinfoniekonzert Solistin liefert Akrobatik am Instrument

Die Niederrheinischen Sinfoniker und Quirine Viersen präsentierten ein Cellokonzert, das es nur selten gibt, weil es so schwer zu spielen ist.

Quirine Viersen bei ihrem Auftritt am Dienstag.

Quirine Viersen bei ihrem Auftritt am Dienstag.

Foto: Strücken, Lothar (sl48)

Weniger als die halbe Besetzung der Niederrheinischen Sinfoniker ist auf der Bühne zu sehen, aber auch die Stuhlreihen im Seidenweberhaus sind beim dritten Sinfoniekonzert im Seidenweberhaus nur zur Hälfte gefüllt. Musikalisch beginnt das Programm mit einem Meister des musikalischen Minimalismus, mit Philip Glass. Für seine Musik bevorzugt der amerikanische Komponist (*1937) jedoch die Bezeichnung „Musik mit repetitiven Strukturen“. Besonders die traditionelle indische Musik hat ihn zu dieser Form der Wiederholungen mit feinsten Nuancen inspiriert.

Das nur sieben Minuten kurze Stück Façades ist ein typisches Beispiel für den Kompositionsstil. Die Streicher breiten einen Klangteppich ohne aufregende Muster auf. Darüber lässt der Komponist zunächst eine Flötenstimmenstimme (Dario Portillo Gavarre) schweben, die völlig unaufgeregt eine überschaubare Melodie vorträgt.

Diego Martin-Etxebarria begleitet die Musiker am Sythesizer

Später kommt der Einsatz der Flötistin Svenja Kips. Nur kurz agieren die beiden als Duo, dann löst sich ihr Part wie eine leichte Welle wieder auf. Eine meditative Wirkung kann sich beim Zuhörer einstellen — oder ein Widerwillen ob der Gleichförmigkeit, der Monotonie des 1981 komponierten Stückes.Wohlwollende Ohren vernehmen jedoch eine fein nuancierte Steigerung und ein nicht minder langsames zurücknehmen der Lautstärke des Orchesters. Bei diesem Stück lässt es sich der Dirigent Diego Martin-Etxebarria nicht nehmen, seine Musiker auf einem Synthesizer zu begleiten.

Mit Samuel Barbers (1910-1981) Cellokonzert op. 22 aus dem Jahr 1945 kommt viel Abwechslung binnen kürzester Zeit in den Saal. Als Solistin ist Quirine Viersen bei diesem Werk sehr gefordert. Wegen der hohen technischen Schwierigkeiten wird dieses Cellokonzert selten aufgeführt. In ihrer Konzerteinführung hat Eva Ziegelhöfer die Zuhörer auch schon darauf vorbereitet, dass es wegen dieser Anstrengungen vielleicht auch keine Zugabe von der Solistin geben könnte.

In einer Solokadenz des ersten Satzes wird die Perfektion des Cellospiels besonders deutlich und auch die Klangfarben des historischen Instruments (ein Joseph Guarnerius Filius Andreae von 1715) von den tiefsten bis zu den höchsten Tönen, wie man sie bei einem Cello nicht unbedingt erwarten würde.

Ein wunderbar breites Klangspektrum voller Kontraste, aber in bester Abstimmung entlockt der Dirigent Solistin und Orchester. Im zweiten Satz Andante sostenuto folgt ein beruhigend wirkendes Duett — ein Kanon — von Cello und Oboe mit zurückhaltender Begleitung durch die tiefen Streicher. Viersen lässt ihr Instrument singen und bietet ein Spiel voller emotionaler Tiefe.

Der dritte Satz fordert von der Solistin ein höchst virtuoses Spiel und dies auch noch in Höhen, die einer Geige Konkurrenz machen könnten. Es ist eine atemberaubende Interpretation der Solistin, vor dem man seine Augen nicht verschließen mag, um sich „nur“ dem Klang allein hinzugeben. Man würde die Akrobatik an den Saiten verpassen, die man wahrlich nicht alle Tage sieht.

Mit langem Applaus bedanken sich das Publikum und das Orchester, doch eine Zugabe erhalten sie trotzdem nicht. Man ahnt warum. Klassisch und weniger virtuos geht es im zweiten Teil des Programms mit der Sinfonie Nr. 39 Es-Dur (KV 543) von Wolfgang Amadeus Mozart weiter. Vertraut, vorhersehbar im Unterschied zum Werk von Barber ist diese Musik. In seiner Interpretation orientiert sich der Dirigent an der historischen Spielweise, die er mit modernen Instrumenten, zum Beispiel durch ein Spiel ohne Vibrato realisieren lässt. Es kommt ein frischer, schön akzentuierter Mozart dabei heraus.

Ein abwechslungsreicher Konzertabend von bester musikalischer Qualität, der mehr Publikum verdient hätte.

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