Sieben Bilder erzählen eine Endlos-Geschichte

Judith Jughenn lädt zu ihren „Fließtextgeschichten“in die Design-Apotheke.

Krefeld. Ein bisschen Sorgen haben sich die Freunde um sie gemacht. Tag für Tag saß Judith Jughenn stundenlang in ihrer Küche über der "Design-Apotheke" und ließ kleine Wortschlangen aus einem Beschriftungsgerät der Firma Dymo kriechen. "Die Leute haben mich gefragt, ob ich besessen bin", sagt die 28-jährige Designerin.

Nun ja, ein Hauch Obsession gehört vermutlich dazu, wenn man einer fixen Idee so viel Lebenszeit widmet. In jeweils 30 bis 40 Stunden Arbeit hat Jughenn sieben Bilder gestaltet, die aus manuell gestanzten Wörtern bestehen. Sie ergeben jeweils eine kurze Geschichte, die sich in Endlosschleife wiederholt. Zu sehen sind die Arbeiten nun in der Ausstellung "Fließtextgeschichten" in der Design-Apotheke.

Da die Gedankenfetzen aus dem Dymo vier verschiedene Farben haben und Jughenn sie geschickt arrangiert, schälen sich große Piktogramme aus dem Satzsalat ihrer Bilder: eine grüne Pistole auf schwarzem Grund, ein ausgestreckter roter Mittelfinger mit blauem Nagel, Augen, ein schräger Vogel, eine Schweinsnase. Oft liefern die symbolhaften Darstellungen eine ironische Quintessenz der Geschichten.

Wo so originelle Kunstwerke entstehen - Jughenn spricht übrigens lieber von Grafikdesign -, hat auch die Inspirationsquelle Zufall ihren Anteil gehabt. "Ich habe ein altes Dokument von mir im Computer geöffnet und festgestellt, dass der Text ganz lustig war", erzählt Judith Jughenn.

Bei der Datei handelte es sich um einen so genannten Blindtext: Grafik- und Kommunikationsdesigner wie Jughenn brauchen solche meist sinnfreien Wortfolgen, um damit zum Beispiel die Gestaltung einer Internetseite zu veranschaulichen. "Die Standardtexte kann ich nicht mehr sehen", sagt Jughenn. "Also schreibe ich selbst welche. Dabei denke ich überhaupt nicht nach. Die Gedanken fließen intuitiv und unmittelbar aus mir heraus."

Genau diesen rätselhaften Prozess will die junge Designerin mit ihren Arbeiten ergründen. Indem sie die Text-Entstehung in einen fast meditativ langsamen, manuellen Prozess verwandelt, kommt sie der eigenen Kreativität auf die Spur. Der Betrachter, der zunächst nur die witzigen Piktogramme wahrnimmt und sich dann fasziniert durch die Zeilen arbeitet, vollzieht diesen Weg nach - und lernt vielleicht auch etwas über die Verrücktheiten in seinem eigenen Kopf.

"Fließtextgeschichten: Intuitivliteratur und Typographie". Design-Apotheke, Hubertusstraße 113. Eröffnung am Sonntag, 11 bis 19 Uhr. Danach nach Vereinbarung: Tel. 02151/97 57 300.

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