Romeo und Julia: Ein verhängnisvoller Zufall

Die Inszenierung am Theater Krefeld hat Hüseyin Michael Cirpici mit filmischen Elementen aufgefrischt.

Romeo und Julia: Ein verhängnisvoller Zufall
Foto: Matthias Stutte

Krefeld. Ein Zufall bereitet der Liebe von Romeo und Julia ein Ende. Hätte der Brief mit der Nachricht über Pfarrer Lorenzos Trick, Julias Tod vorzutäuschen, doch nur Romeo am Ort seiner Verbannung erreicht. Dann hätte das schlimme Ende der beiden verhindert werden können. Die Inszenierung des Shakespeare Stücks am Theater Krefeld, das am Samstagabend Premiere feiert, geht ans Herz.

Die Geschichte ist seit Jahrhunderten bekannt, dennoch schafft es Regisseur Hüseyin Michael Cirpici, das Stück neu und frisch erscheinen zu lassen. Saskia von Klitzing und Julia Klomfaß spielen Live-Musik auf der Bühne, die aber dennoch bis auf eine Szene Hintergrundmusik bleibt. Nur bevor sich Romeo und Julia auf dem Fest der Capulets kennenlernen, dröhnen laute Elektroklänge über die Bühne, zu denen die Schauspieler tanzen. Sprechen Romeo und sein Freund Mercutio miteinander, bewegen sich die anderen in Zeitlupe. Ein Effekt, den der Zuschauer sonst wohl nur aus Filmen kennt.

Cirpici arbeitet mit einigen solcher Mittel. Einige der Schauspieler haben aufgemalte Jokergesichter. Sie scheinen auf das Unheil hinzuweisen. Die Frau, die Romeo von der Party erzählt, auf der er Julia kennenlernt, trägt diese Maske, auch Tybalt (Cornelius Gebert) hat eine aufgemalt, Mercutio (Paul Steinbach) erst nach seinem Tod. Dann erscheinen die beiden Ermordeten immer wieder im Hintergrund der Bühne und verlassen diese langsam wieder. Als würden sie auf etwas warten und solange das Geschehen beobachten — ein gern genutztes Mittel in Horrorfilmen.

Das Bühnenbild von Sigi Colpe ist voller Symbolik und dennoch nicht überladen. Auf der Bühne liegt ein dicker Teppich aus künstlicher Asche. Immer wenn ein weiterer Mensch dem Hass zwischen den Capulets und Montagus zum Opfer gefallen ist, fällt neue Asche auf die Bühne. Rohre hängen darüber, die als Tür, Kirchenglocken oder als Vorhänge genutzt werden. Dahinter verbringen Romeo und Julia ihre erste Nacht zusammen. Während der Rest der Bühne dunkel ist, strahlt die beiden ein helles Licht an.

Überhaupt ist das Spiel mit dem Licht, was Tag und Nacht imitiert, sehr durchdacht. So wird aus dem immer gleichen Bühnenbild durch unterschiedliche Nutzung und dem Lichtspiel ganz leicht eine neue Kulisse, nur dadurch, dass die Aufmerksamkeit des Zuschauers umgeleitet wird.

Die Darsteller tragen Kleidung, die sie auch jederzeit auf der Straße tragen könnten. Dadurch bleiben sie in der heutigen Zeit, obwohl sie nicht sprechen, wie die Jugendlichen von heute. Der Text bleibt eben Shakespeare, auch wenn Dramaturg Martin Vöhringer und der Regisseur ihn angepasst haben, die Poesie ist trotzdem da. „Romeo zum Wohl, ich trink’ dir zu“, sagt Julia, als sie ihr Schlafelixier trinkt.

Jonathan Hutter und Helen Wendt als Romeo und Julia sind die ideale Besetzung. Beide schaffen es, das Kindliche in ihren Rollen herauszuarbeiten. Sowohl beim schnellen Verlieben und als auch in der Verzweiflung über die Zwangsehe mit Paris (Adrian Linke) oder die Verbannung erscheinen sie dem Zuschauer wie zwei 15- bis 17-Jährige, die vollends überfordert sind. Würde Pfarrer Lorenzo, gespielt von Christopher Wintgens, nicht die Entscheidungen für das Paar treffen und immer wieder mit Lösungen zur Stelle sein, die beiden hätten nicht gewusst, wie sie in ihrer Verzweiflung klarsehen sollen. Das zeigt natürlich vor allem die letzte Szene, wo beide keinen anderen Ausweg sehen als sich das Leben zu nehmen. In der Szene wird der Schmerz besonders deutlich. Julia liegt wie tot in ihrem Hochzeitskleid mit dem Brautstrauß in den Händen auf einem Stein, als Romeo sich zu ihr setzt, sie aufrichtet und sie von hinten so fest umarmt als würde er sie nie wieder loslassen wollen.

Obwohl klar ist, was passieren wird, hofft der Zuschauer kurz, das Gift würde vielleicht doch nicht wirken, aber schon ist Romeo tot. Julia wacht auf und die gleiche schmerzvolle Szene wiederholt sich mit umgekehrten Rollen, bis sie sich mit seinem Messer ersticht. Bis dahin ist der Zuschauer von dieser Geschichte wieder so berührt, dass er gehofft hat, sie nimmt ein anderes Ende.

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