Rheinischer Expressionismus im Fokus

Im Kaiser-Wilhelm-Museum eröffnet eine Ausstellung zur Kunst verschiedener Stilrichtungen des vergangene Jahrhunderts.

Rheinischer Expressionismus im Fokus
Foto: Dirk Jochmann

Eine dunkle, das Bild aushöhlende Kerbe ist auf dem ansonsten durchweg weißen Gemälde abgebildet, das die stellvertretende Leiterin der Krefelder Museen, Sylvia Martin, in diesem Augenblick vorstellt. Das Gemälde entstand in den 1950er Jahren in der Region um Düsseldorf und wird der sogenannten „Zero-Bewegung“ um Günther Uecker und Heinz Mack zugeschrieben. In der Zeit des aufkommenden Wirtschaftswunders symbolisiert das Bild nicht nur gesellschaftlich, sondern auch stilistisch einen Einschnitt und Wandel des Zeitgeistes. Wie sich dieser nämlich im 20. Jahrhundert künstlerisch entwickelt hat, lässt sich ab dem kommenden Freitag im zweiten Stock des Kaiser-Wilhelm-Museums begutachten.

Sylvia Martin, Krefelder Museen

Im Rahmen einer neuen Ausstellung werden zahlreiche altbekannte Klassiker des Museums, mehrere Neuzugänge sowie erst kürzlich restaurierte Werke kuratiert, denen mittels dieser bis dato ungekannten Kombination aus verschiedenen Stilrichtungen und Epochen eine völlig neue Bedeutung verliehen werden soll. „Wir haben das Glück, dass wir eine so bunte Sammlung haben“, erklärt Katia Baudin, Leiterin der Krefelder Museen.

So können sie nun Expressionisten mit Nachkriegskünstlern miteinander in Dialog setzten, erläutert sie. Im Folgenden leitet Martin gemeinsam mit Magdalena Broska als Vertreterin der Adolf-Luther-Stiftung und der Freunde der Kunstmuseen Krefeld sowie Restaurator Sebastian Köhler einen kurzen Rundgang durch die Ausstellung, die bis zum 2. September für Gäste zugänglich sein wird, und gewährt einen Einblick in die Entwicklung der Kunstgeschichte des vergangenen Jahrhunderts.

Im Hauptsaal der zweiten Etage befinden sich vorrangig traditionellere Gemäldeformen von der Jahrhundertwende. Mehrere Stillleben und insbesondere die impressionistischen Ölmalereien von unter anderem Max Liebermann markieren den Beginn der modernen Kunst des 20. Jahrhunderts. Darauf folgt schließlich mit einem Werk Wassily Kandinskys der Übergang zum Expressionismus, der schließlich mit Werken des in Krefeld geborenen Malers Heinrich Campendonks zum rheinischen Expressionismus übergeht, der wiederum in der Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts - dem Ersten Weltkrieg — kulminiert.

Eines von Campendonks Gemälden zeigt eine Gruppe von Menschen, die eingeengt in einer kleinen, verdunkelten Wohnung lebt. Dies lehnt an die dem Expressionismus typische Problematik des Großstadtlebens im Zuge der Industrialisierung an. Das gesellschaftliche Umdenken nach dem Wiederaufbau in Folge des Zweiten Weltkriegs führte zur Polarisierung in der Kunst und zum offenen Streit darüber, was nun eigentlich Kunst sei.

Die Zero-Bewegung, die in Düsseldorf ihren Ursprung hat, jedoch bis nach Italien und Frankreich vernetzt war, prägte zunehmend die Abstraktion der Kunst in der Region, sodass das Immaterielle, die Leere fortwährend an Bedeutung gewann. „Es ist eine neue Bildsprache entstanden“, erklärt Martin. Ein weiteres Glanzlicht der Ausstellung findet sich in Jannis Kounellis pyramidalen Kaffee-Häufchen wieder, eine materielle Antwort auf die Strömungen der 50er Jahre. Ganz im Stile der 68er Bewegung lässt sich in diesem Jahrzehnt eine Liberalisierung der Kunst verorten, die sich nun nicht mehr „nur“ aus Pinsel und Staffelei konstituiert.

Das Highlight der Ausstellung sind wohl aber die Werke des französischen Künstlers Francoise Morellets, die dem Kaiser-Wilhelm-Museum von der Adolf-Luther-Stiftung zur Verfügung gestellt wurden. Morellets unterschiedliche Rasterformen und abstrakte Skulpturen bereichern die Ausstellung um eine bisher ungekannte Komponente. „Es ist viel zu entdecken, was seit der Generalsanierung noch nicht zu sehen war“, konstatiert Martin. Am Donnerstagabend kann die Ausstellung mit einem Vortrag von Ina Ewers-Schulze (18 bis 21 Uhr) vorab besucht werden. Am Freitag werden die mehr als 80 Werke dann zumindest bis September regelmäßig zu bestaunen sein.

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