Probier’s mal mit Gemütlichkeit

Das Wetter hätte den Musikern des Orchesters „Cellissimo“ fast einen Strich durch die Rechnung gemacht. Aber Dank ihres Könnens schaffen die jungen Musiker es doch noch, Leute in den Stadtwald zu locken.

Probier’s mal mit Gemütlichkeit
Foto: Dirk Jochmann

Fünf Minuten vor Konzertbeginn kann man mehr Personen in der Konzertmuschel des Stadtwaldhauses zählen als in den zwei traurig leeren Bankreihen davor. Der Wetterbericht hat vermutlich viele abgehalten. Ein paar vorausschauende Angehörige der jungen Musiker haben sich in einiger Entfernung unter den großen Schirmen des Restaurants niedergelassen. Mit dem Konzertbeginn füllen sich die Bänke in Hörweite doch noch etwas mehr, so dass die Nachwuchscellisten schon das Gefühl bekommen können, ein Publikum hört ihnen zu.

Julia Polziehn, die Leiterin des Cello-Orchesters „Cellissimo“ der Musikschule, stimmt in ihrer Begrüßung die noch überschaubare Zuschauermenge optimistisch. Sie erzählt von Auftritten ihrer Schüler bei Stadtfesten und anderen Veranstaltungen unter freiem Himmel, bei denen oft schlechtes Wetter angekündigt wurde, das dann doch nicht eintrat. „Laden Sie uns ein, wenn Sie eine Gartenparty machen!“

Dann weist sie auf die jungen Musiker hin, die gerade noch in der ersten Bankreihe sitzen und auf ihren Auftritt als neue Mitglieder des Cello-Orchesters warten. Sie sollen jedoch erst zum Ende des Konzerts dazu kommen. Zum anderen können auch die „alten Hasen“ von Cellissimo an diesem Vormittag entspannter spielen, als es ursprünglich geplant war, denn die Tonaufnahmen und die „Atmo“ aus der Konzertmuschel für eine Reportage über Polziehn und ihr Cello-Orchester werden an diesem Tag nicht vom einem Fernsehsender aufgenommen. Die Aktion musste auf den September verschoben werden.

Zwischen den einzelnen Musikstücken geht ein Teil der Cellisten in der Konzertmuschel auf Wanderschaft, um jeweils einen neuen Platz einzunehmen.

Polziehn erklärt dabei ihre pädagogischen Absichten, dass alle flexibel und in allen Stimmen zu Hause sein sollen und dass sie beim Spiel aufeinander hören. Deswegen stellt sie sich auch nicht als Dirigentin vor ihr Ensemble, sondern gibt selber mitspielend nur einige Zeichen.

In einer Bearbeitung für Cello-Orchester, das alle menschlichen Stimmlagen vom Sopran bis zum Bass umfasst, erklingt Smetanas Moldau. Ein behäbiger Fluss strömt am Stadtwaldteich vorbei. Alle Klangbilder des bekannten Werks sind mühelos wieder zu erkennen. Beim Stück „Play Bach funky!“ werden einige Celli auch zu Schlagzeugen. Das Spiel des Orchesters lockt immer mehr Zuhörer und dank unermüdlicher Trägerarbeit zweier Personen wachsen die Bankreihen vor der Konzertmuschel an. Auch die anderen Sitzgelegenheiten füllen sich zunehmend.

Schließlich wird das große Umräumen auf der Bühne nötig, denn die zehn neuen Mitglieder des Cello-Orchesters brauchen auch ihre Sitzplätze auf der Bühne. Die Umbaupause nutzt Polziehn, um das Publikum mit einem Musikrätsel zu unterhalten. Die Refrains von einigen Klassikern werden gesucht. „Probier’s mal mit Gemütlichkeit“ lautet die erste Antwort und schließlich setzt das vergrößerte Ensemble ein, dies zu spielen. Dabei schaffen die jungen Musiker eine richtige Kur- oder Sonntagskonzertatmosphäre im Freien.

Für manches Kleinkind und für manchen Hund ist es sicherlich das erste Cello-Livekonzert ihres Lebens und immer mehr Publikum wird von der Musik angelockt. Da gibt es noch einen musikalischen Gruß mit „Mein kleiner grüner Kaktus“, den Hinweis „Veronika, der Lenz ist da!“ und das Loblied „Ein Freund, ein guter Freund“. In der Pause, die wieder für ein Umsortieren auf der Bühne nötig wird, schaffen es sogar einige schwache Sonnenstrahlen durch den grauen Himmel in den Stadtwald durchzudringen. Nach diesem Umbau treten die Cellisten — nun in kleinerer Zahl — in die zweite Reihe, denn das Jugendensemble des Musiktheaters der Musikschule sowie Sänger der Gesangsklassen von Chao-Li Chen und Maike Neunast spielen jetzt die erste Geige.

Beschwingte Musicalmelodien von der West Side Story bis zum Phantom der Oper schweben nun in den Stadtwald hinaus.

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