Premiere: Ein Gernegroß und sein verkorkstes Leben

Als Vorhangzieher Ingo Sassmann zeigt Matthias Oelrich große Schauspielkunst.

Krefeld. "Heute weder Hamlet" von Rainer Lewandowski ist ein Ein-Personen-Stück mit zwei Hauptdarstellern. Der eine, Ingo Sassmann, ist Vorhangzieher, gescheiterter Schauspieler, Hobby-Philosoph, Wichtigtuer und Gernegroß.

Als eines Abends die Hamlet-Vorstellung ausfällt und das Publikum nicht gehen will, breitet er auf der Bühne sein verkorkstes Leben aus.

Der zweite Hauptdarsteller ist der Vorhang. Als Portal, an dem Leben und Theater sich begegnen, beherrscht er bei der Premiere in der Fabrik Heeder das angenehm reduzierte Bühnenbild von Dusanka Grabovac.

Über das im Jargon "Lappen" genannte Stück Stoff wird ja sonst eher selten gesprochen.

Dabei ist der Vorhang "das Wichtigste am Theater", wie Sassmann erklärt: "Er ist mein Instrument, mein Beitrag zu ihrem Spiel. Wenn ich will, kann ich das ganze Theater zum Hörspiel machen."

In seinem Regie-Debüt kostet Siegfried Hopp die Möglichkeiten dieser großartigen Figur doppelt aus: Seine Inszenierung funktioniert als schelmische Präsentation von Insider-Gags aus der Theaterwelt, reicht aber weit über die Selbstbespiegelung hinaus.

Sassmann ist auch ein Symbol des alltäglichen Scheiterns, ein tragisches Beispiel für die grausame Rolle, die der Zufall in unserem Leben spielen kann. Sassmann ist der Versager in uns allen.

Wie Matthias Oelrich diese Rolle auskostet, wie er Sassmann in all seinen Facetten zum Leben erweckt, das ist große Schauspielkunst.

Obwohl ihn eine fragwürdige Perücke in Häuptling Silberlocke verwandelt, spielt er von der ersten Minute an seine ganze Erfahrung aus, landet zielsicher die Pointen und baut fast unmerklich einen komplexen Charakter auf: Sein selbstgerechtes, eitles Lästermaul Sassmann rührt uns am Ende mit einer Tragödie, die eher dem Leben als dem Theater zu entstammen scheint.

Dass sein Partner, der Vorhang, kurz zuvor den Geist aufgibt, sorgt für die ungewollt ironische Brechung eines tollen Theaterabends. Langer Applaus.

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