Premiere: Drei verhinderte Retter verzetteln sich

Wenn es im Jugendamt so aussieht wie bei „Kaspar Häuser Meer“, dann armes Deutschland.

Krefeld. Zu beneiden sind sie nicht, die drei Damen vom Jugendamt. Tag für Tag verzetteln sie sich im Papierwust, stürzen von Aktenbergen, rotieren hilflos in der Mühle des Alltags. Und dann klingelt auch noch das Telefon.

Was jeder Büromensch kennt, bekommt in diesem unglamourösen Job eine bittere Note. Denn im Jugendamt hat jeder Irrtum fatale Folgen: Babys verhungern, Kinder werden geschlagen, Mädchen missbraucht. "Immer muss ich alles für alle, und alles kann ich auch nicht", tönt das Klagelied der kaputtgesparten Mitarbeiter. Opfern wie Kevin hilft das nicht: Der zweijährige Junge wurde 2006 in Bremen im Kühlschrank seiner Eltern gefunden, brutal verprügelt, bis er tot war.

Angeregt durch diesen Fall hat die junge Autorin Felicia Zeller ein differenziertes und erfreulich undogmatisches Theaterstück geschrieben, das am Donnerstag in der Fabrik Heeder Krefelder Premiere gefeiert hat. "Kaspar Häuser Meer" hütet sich vor einfachen Antworten und Schuldzuweisungen. Es schildert eine stete Gratwanderung: zwischen Vertrauen und Kontrolle, Zivilcourage und Denunziantentum, dem Recht von Familien auf Krisen und der Kunst, nicht zu früh einzugreifen und bitte nicht zu spät.

Das Stück ist keine Tragödie und keine Farce, obwohl es beide Genres streift. Immer wieder beschleicht einen das ungute Gefühl, es könne vielleicht dokumentarisch sein: Das wäre ein Armutszeugnis für dieses Land, aber es würde vieles erklären, das in den vergangenen Jahren für Schlagzeilen gesorgt hat.

Ines Krug, Esther Keil und Anja Barth verschwinden fast in ihren Rollen als mutige, ratlose Frauen, die ihre kostbare Zeit mit Lamentieren, Sortieren und Freecell-Spielen vertrödeln, um dann doch wieder in einem Anfall von Heroismus ihre "persönlichen Messias-Festspiele zu feiern".

Perfekt greifen das reduzierte Bühnenbild (Janine Hoffmann) und die bedächtige Inszenierung von Anne Spaeter ineinander. Die drei verhinderten Retter drehen sich auf einem knarzenden Rad im Kreis, drehen sich umeinander und aneinander vorbei. Man erschrickt fast, als die Mühle am Ende stehen bleibt. Gut möglich, dass dies für alle Beteiligten der einzige Ausweg wäre.

100 Minuten ohne Pause. Weitere Termine: 17., 18., 23., 24. April (alle mit anschließendem Publikumsgespräch), 22. Mai. Karten unter 02151/805 125.

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