Kinotage an der Rennbahn Perfektes Ambiente für einen Grusel-Klassiker

Die Kinotage an der Rennbahn enden mit einem Stummfilm und Livemusik von den Sinfonikern.

Kinotage an der Rennbahn: Perfektes Ambiente für einen Grusel-Klassiker
Foto: Samla

Krefeld. Zum Abschluss der diesjährigen Kinotage auf der Rennbahn wurde wieder ein Schmankerl gegeben: der Stummfilm „Das Cabinet des Dr. Caligari“ mit Livemusik. Die Niederrheinischen Sinfoniker spielten unter der Leitung von Kapellmeister Andreas Fellner die 2011 eigens dafür komponierte Musik von Stéphane Fromageot. Die Töne und der Film überzeugten das zahlreiche Publikum; der Komponist war an dem Abend anwesend und bedankte sich zusammen mit dem Dirigenten für den üppigen Applaus.

Vorstellen muss man sich das so: Direkt vor der überdachten Tribüne war wie immer die Leinwand hochgefahren, rechts davon stand ein großes schwarzes Zelt, in dem die festlich gekleideten Musiker ihre Plätze einnahmen. Auf dem Dirigentenpult ein Laptop mit der Übertragung des Films von der großen Leinwand - damit Bild und Ton passten. Vor Einbruch der Dunkelheit hatte es noch ein Gewitter gegeben, aber während der Aufführung blieb es trocken. In der Ferne leuchtete ab und an der Himmel auf, vor der Leinwand flog ab und an ein Fledermauspärchen vorbei: Die perfekte Kulisse für den Klassiker des deutschen expressionistischen Films.

„Das Cabinet des Dr. Caligari“ wurde 1920 von Robert Wiene gedreht, der damit sein Meisterwerk ablieferte. Der Film besteht aus sechs Akten, die eine zeitliche wie inhaltliche Staffelung umfassen.

Dass die allererste Szene auf einer kargen Gartenbank — das Gespräch eines jüngeren mit einem älteren Mann — einen Rahmen bildet, sieht man erst ganz zuletzt. Der Ältere spricht von Geistern, die sein Leben verändert hätten — in eingeblendeten Texten, versteht sich — und der Jüngere kann noch viel mehr Schreckliches berichten. Denn an den beiden schreitet eine sehr abwesende junge Frau vorbei. Der Jüngere, Francis mit Namen, nennt sie seine Braut und berichtet davon, was ihnen zugestoßen sei. Hier setzt die erste Rückblende ein, die den Zuschauer auf einen Jahrmarkt in Holstenwall entführt. Dort gastiert auch ein Dr. Caligari mit einem Schlafwandler, dem somnambulen Cesare. Im kleinen Ort geschehen zwei Morde, ein Mordversuch, eine Entführung. Francis versucht, Licht ins Dunkel zu bringen. Es herrscht eine gespenstische, geheimnisvolle Atmosphäre, die durch die grandiosen Bauten des Films gestützt wird. Die Schauspieler bewegen sich in einem Ort voller stürzender Linien, aufgemalter Schatten, schräger Wände, asymmetrischer Türen - so, als hätten die Kulissenmaler sich von Feininger inspirieren lassen, von den rechtwinkelfreien Anthroposophen und auch ein bisschen von den Freudianern.

Die Kulturgeschichte ist auch nicht fern: Als sich am Schluss alle in einem Innenhof begegnen, erinnert dieser in seiner Architektur an die runde Piazza del Campo in Siena. Der sechste Akt bedeutet aber nur in Teilen die Auflösung des Dramas: Was vorher klare Zuweisung von Schuld zu sein schien, wird nun wieder in den Bereich von Traum und Fantasie verschoben. Denn alle Figuren sind in einer Irrenanstalt versammelt und der schmuddelige Dr. Caligari vom Jahrmarkt ist nun der gepflegte Leiter der Anstalt. Was ist Wirklichkeit? Was ist Vorstellung? Das bleiben die Fragen beim Zuschauer. Die Musik passte trefflich dazu. Sie unterstrich die Bilder, vertiefte die Spannung und stützte die Illusion. Ein großartiger Kinoabend in einer Sommernacht.

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