Musiktheater : Orpheus im Zentralkomitee – Eine Polit-Operette
Krefeld Hinrich Horstkotte verwandelt Offenbachs „Orpheus in der Unterwelt“ in eine Satire über die DDR. Am 22. Februar ist Premiere am Theater Krefeld.
Vergessen Sie bitte alles, was sie über Offenbachs „Orpheus in der Unterwelt“ zu wissen glauben. Natürlich wird das alles stimmen, was Ihnen bei dem Gedanken an diese „Operette“, den Cancan und Co in den Sinn kommt – und nun, einiges von dem, was man so gemeinhin über dieses Stück denkt, kann auch für diese besondere Produktion ganz nützlich sein. Aber eigentlich darf – ja muss – Hinrich Horstkottes Version, oder nennen wir es vielleicht neumodisch Überschreibung, der Opéra bouffe, für sich stehen, ganz losgelöst von dem ursprünglichen Werk. Von der antiken Geschichte, die indes schon zu Offenbachs Zeiten nur eine Maskerade für tagesaktuelle Satire war, ganz zu schweigen.
Die Inszenierung wurde schon in Mönchengladbach gezeigt
Nun dürfte also das Publikum in Mönchengladbach, wo diese Orpheus-Inszenierung unter der Dramaturgie von Andreas Wendholz anlässlich des Offenbach-Jahres 2019 Premiere feierte, nicht schlecht gestaunt haben, statt irgendwie nachvollziehbaren Figuren aus der Personage der Geschichte – sei es historisierend, ironisierend, postmodern oder zeitlos auf Minimalismus getrimmt –, auf Honecker und Co, auf die DDR in ihrer herrlichsten Verzerrung als übergroßes Klischee zu treffen. Natürlich mit der Musik Offenbachs, die nur so vor Spiellust überläuft, allerdings mit gänzlich neu gedichteten Texten auf Deutsch, die das Sächseln nicht scheuen und vielleicht auch mal an Ostalgie-Komödien aus den frühen 2000er erinnern.
Aber so an den Haaren herbeigezogen, wie vielleicht vermutet werden könnte, ist es gar nicht, die Geschichte dieses musikalischen Theaterstücks derart umzubauen, wie es Horstkotte tat. Er macht sich einen speziellen Umstand zunutze. Die mannigfaltigen Andeutungen, die Offenbach mit den Librettisten Ludovic Halévy und Hector Crémieux in die 1858 geschaffenen und 1874 umgearbeiteten Operette eingeflochten hat, funktionierten perfekt in ihrer Zeit.
Ist die Griechische Mythologie um Orpheus und Eurydike, in der ersterer letztere wieder aus den Fängen der Unterwelt befreien muss, zwar oberflächlich die Blaupause für die Persiflage, so geht es letztendlich in Offenbachs Stück doch viel mehr darum, der Obrigkeit, der Pariser Gesellschaft einen bitterböse humorigen Spiegel vorzuhalten. Insbesondere, wenn sich die Götter – also die Hautevolee – gelangweilt dazu entschließen, ordentlich mitzumischen und schließlich Plutos Unterwelt einen Besuch abzustatten, die bei Offenbach eine deutliche Anspielung auf die Pariser Rotlicht-Welt war. Jeder wusste damals, was gemeint ist und lachte – vielleicht etwas ertappt – über die Eulenspiegelei.
Hier kommt Horstkottes Idee ins Spiel. Denn er möchte, dass wir heute, ähnlich wie die damalige Gesellschaft in der Geschichte etwas wiedererkennen, Andeutungen und Anspielungen, die eine herrschende Schicht, die Obrigkeit auf die Schippe nehmen. Und wo gab es eine derartige – auch von Doppelmoral geprägte – Obrigkeit, die wir alle kennen? Nun, will man nicht direkt in das Heute schauen, so erschien Horstkotte wohl die DDR mit ihrem ureigenen Charakter als perfekte Folie für seine Persiflage.