Napoleon trifft de Gaulle

Wie Marcel Proust sucht Maler Jochen Stücke nach der unbewussten Erinnerung. Dabei gelingen ihm virtuose Bilder.

Napoleon trifft de Gaulle
Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Krefeld. Gerade ist er parallel in drei Ausstellungen präsent, das passiert einem Krefelder Künstler eher selten. Eine Schau läuft im fernen Wien, zwei sind für Krefelder Kunstinteressierte vor Ort erreichbar. Unter dem Titel „Pariser Recherche“ zeigt Jochen Stücke in der Galerie Meta Weber größere Arbeiten, im Niederrheinischen Literaturhaus sind es überwiegend kleinere Zeichnungen und Druckgraphiken.

Napoleon trifft de Gaulle
Foto: Dirk Jochmann

„Ich habe das Gefühl dort angekommen zu sein, wo ich sein will“, sagt Stücke. Damit meint er nicht nur sein Thema, die Stadt Paris, die ihn seit Jugendzeiten fasziniert, sondern auch die Art seiner künstlerischen Auseinandersetzung mit der Metropole. Dabei verweist er auf Marcel Proust, den Autor des epochalen Romans „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“.

Proust sei es nicht um die linear strukturierte „intellektuelle“, sondern um die „unbewusste Erinnerung“ gegangen. Diese sei Anlass zu Assoziationsketten, führe zu Imagination, einer anderen Realität.

In der Tat begegnet man bei Stücke einem Paris der Fantasie. Reale Figuren treffen hier auf solche aus der Literatur, oder das Personal stammt aus verschiedenen Zeiten. Stücke schafft seine ganz eigene Realität.

Auf dem Blatt „Die Audienz Bonapartes“ steht ein kleiner Napoleon auf dem allerdings noch kleineren Triumphbogen. Schon das ist eine Verzerrung der Größenverhältnisse und damit der Realität. Er spricht mit Charles de Gaulle, der deutlich größer gezeichnet ist als Napoleon, aber trotzdem überragt der Korse den Politiker des 20. Jahrhunderts. „De Gaulle befragt Napoleon nach Strategien der Selbstdarstellung“, wird handschriftlich erläutert.

Der Kathedrale Notre Dame hat Stücke Beine gemacht, er präsentiert sie als übergroße Spinne, die auf den Pfeilern des Rippengewölbes krabbelt. Und Napoleon gönnt Stücke einen privaten Moment, indem er ihn nach einer Dame ausschauen lässt, die aus Tolstois Roman „Krieg und Frieden“ stammt.

„Dresden-Phantasien“ nennt sich eine Serie, die bei Meta Weber zu sehen ist. Auf einem Bild steht der kriegerische Friedrich der Große als ein Besucher aus lange zurückliegender Vergangenheit vor dem Triptychon „Der Krieg“ von Otto Dix (1932). Das ist eine grandiose Idee.

In den meisten Arbeiten mischt Stücke die Techniken. Er zeichnet mit Farbstift und Tusche, malt mit Gouachefarben. Dann kombiniert er Skizzenhaftes und komplett Ausgeführtes, zieht den Bildern damit verschiedene Ebenen ein, was ihnen räumliche Tiefe verleiht.

Stücke beherrscht sein Handwerk in selten zu sehender Virtuosität, bereits mehrere renommierte Museen haben Werke von ihm erstanden.

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