DA TANZEN DIE PUPPEN Unheimliche Stimmung auf dem Theaterplatz

Krefeld · Mit schaurigen Walrufen, Projektionen und spannendem Spiel begeisterte das Stück „Moby Dick“ des Theaters Blaues Haus bei „Jetzt tanzen alle Puppen“.

 Auf eine Art Segel werden Bilder – zum Beispiel von einem Wal – projiziert.

Auf eine Art Segel werden Bilder – zum Beispiel von einem Wal – projiziert.

Foto: Ja/Jochmann, Dirk (dj)

Zu „einer abenteuerlichen Reise an einem abenteuerlichen Ort“ begrüßte Stella Jabben vom Theater Blaues Haus die Besucher im kleinen Zirkuszelt auf dem Theaterplatz. Im Rahmen des ersten Kulturfestivals „Jetzt tanzen alle Puppen“ gastierte das beliebte Figurentheater aus Hüls mit zwei Spätvorstellungen des Abenteuerklassikers „Moby Dick“ an dieser zentralen Stelle.

Bevor am Samstagabend ab 22 Uhr die zweite Aufführung startete, beschallte noch auf der benachbarten Bühne die Band „Mothers of Guru Soul“ den Platz. Der war für diese Uhrzeit noch gut besucht. Vor allem vor dem kleinen, nett beleuchteten Zirkuszelt versammelten sich rund 40 Gäste, die die Vorstellung in diesem ungewöhnlichen Rahmen erleben wollten.

Ganz konnten die Gäste im Zelt das Umfeld nicht ausblenden

Das Zelt bildete eine kleine Welt für sich, die die problematische Umgebung aber nicht ausblenden konnte. Zwar hatte die Band ihr Programm pünktlich beendet, aber Straßenbahnen und Autoverkehr sowie die mal mehr mal weniger akustische Präsenz der „Theaterplatzszene“ bildeten eine Gegenkulisse. Auch ein unerwünschter Besucher gab ein kurzes Intermezzo.

Dass Puppenspieler Volker Schrills da 90 Minuten lang die Konzentration hielt, ist allein schon großartig. Und trotz dieser Störfaktoren gelang es ihm schnell, das Publikum die düstere Abenteuergeschichte hineinzuziehen. Für eine packende Atmosphäre sorgte auch die Mischung aus klassischem Figurentheater, Projektionen und Klangeffekten, zu denen unheimlich klingende Walrufe gehörten.  Die Projektionen erschienen auf einer an ein Segel erinnernden Stofffläche, darüber agierten die Figuren. Immer wieder trat der Spieler auch vor diesem Vorhang und damit näher ans Publikum.

Wie im berühmten Roman von Herman Melville wird die Geschichte von Kapitän Ahab, der den weißen Wal Moby Dick jagt, aus der Perspektive von Ismael erzählt. Bei einem früheren Jagdversuch hatte Moby Dick Ahab ein Bein abgerissen. Seine im Mittelpunkt des Romans stehende Fahrt ist ein Rachefeldzug gegen das Tier, den er am Ende mit dem Leben bezahlt. Bis auf Ismael reißt der fanatische Kapitän seine gesamte Mannschaft mit in den Tod. Darunter der schwarze Schiffsjunge Pip, der im Puppenspiel eine zentrale Rolle spielt.

Kapitän Ahab, der
Waljäger, bleibt ein Phantom

Freundlich und etwas naiv, ist Pip der Sympathieträger im Spiel. Zunächst führt der Puppenspieler mit ihm ein Gespräch, aus dem sich dann die Erinnerungen Ismaels in der Rückschau entwickeln. Ahab selbst erscheint nur als gespenstisch wirkender Kopf, der durch das Tuch sichtbar wird. Er bleibt ein Phantom, von dem nur gesprochen wird. Auch mit anderen Mitteln – wie den seltsam klingenden Rufen der Wale – wird die unheimliche Atmosphäre des Stoffs sehr gelungen heraufbeschworen. Neben weiteren Figuren wie den beiden Steuermännern Starbuck und Stubb spielt der mit einem Harpunier bewaffnete Queequeg eine wichtige Rolle. In einer skurrilen Szene kommentiert er die lange Reiseroute des Schiffs, wobei er unverblümt seine kannibalischen Vorlieben zum Ausdruck bringt.

Doch es wird nicht nur eine packende Abenteuergeschichte erzählt, auch die grausamen Umstände des Walfangs kommen zur Sprache. So übel das Schicksal Ahabs ist, so wird auch eine Kritik an seinem Fanatismus deutlich, der sich über das Wohl seiner Mannschaft eiskalt hinwegsetzt. Auch die Situation der Frauen, die vergeblich auf die Rückkehr ihrer Männer warten, klingt an. Die Katastrophe wird in knappen nüchternen Sätzen geschildert. Am Schluss erinnert sich Ismael noch einmal an Pip und sagt: „Solange dein Tambourin spielt, schlägt mein Herz.“ Ganz leise klingt die Musik, und im Zelt kann man jetzt eine Stecknadel fallen hören.

Danach gibt es viel herzlichen Applaus für diese Leistung an einem Ort, der danach nicht zum längeren Verweilen einlädt.

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