Mit Tanz dem Körper auf der Spur

Die 27-jährige Hamburgerin Britta Wirthmüller sucht neue Formen der Choreografie.

Krefeld. Zettel kleben an der Wand des Studios der Fabrik Heeder. "Was wissen wir nicht vom Körper?", "Was ist das Fremde am (eigenen) Körper?" oder "Das Tabu!?" steht dort in eiliger Schrift.

Es sind die Fragen und Gedankenfetzen von Britta Wirthmüller, die dort den Juni und Juli über Körperstudien betreibt. Die 27-jährige Hamburgerin ist die erste Stipendiatin der vom NRW-Kultursekretariat neu ausgeschriebenen Tanzrecherche.

"Es ist ein großer Luxus", freut sich die Nachwuchschoreografin über die Anerkennung. "Ich kann schlecht arbeiten, wenn ich den Kopf nicht frei habe und Geld verdienen muss. Hier gibt es einen geschützten Rahmen, einen Raum - und ich habe Muße für mein Thema."

Britta Wirthmüller ist ein ernsthafter Mensch und ein kritischer Geist. Mit ihrem Konzept "Körper an den Grenzen der Realität" macht sie es sich nicht leicht. Sie setzt sich mit den geisteswissenschaftlichen Diskursen des 20. und 21. Jahrhunderts auseinander und sucht nach konkreten Übertragungen für ein künstlerisches Format.

Das Unsichtbare, das Undarstellbare des Körpers darstellen - damit fordert sie sich selbst heraus. Der Tanz, sagt sie, biete die Möglichkeit, Informationen aus dem Körper des Anderen zu lesen und zu zeigen.

So schreibe sich beispielsweise eine soziale Stellung hinein: "Einem Obdachlosen sieht man sein Unbehagen, in der Welt zu sein, an." Dabei empfindet sie es als absurd, dass das Thema gerade am eigenen Beruf besonders deutlich wird: "Ein Tanztraining formt einen Körper mehr als alles andere".

Zweifel am Tänzerberuf hatte sie immer. Britta Wirthmüller nahm zwar seit ihm achten Lebensjahr Ballettunterricht, wollte aber eigentlich eine Tierhandlung betreiben - oder Tierärztin werden. Die Eltern, beide Ärzte, rieten von der Profi-Tanzausbildung ab.

Dennoch begann die 18-Jährige nach dem Abitur ein Studium an der Gret-Palucca-Schule in Dresden. Und fühlte sich eingeengt. Nach einem Gastsemester an der Hogeschool voor de Kunsten in Amsterdam begann Britta Wirthmüller zu choreografieren und absolvierte ein Aufbaustudium an der Universität Hamburg im Masterstudiengang "Performance Studies".

Heute versteht die Künstlerin sich weniger als Tänzerin denn als Choreographin. Seit 2005 trainiert sie nicht mehr regelmäßig, weil sie ihren Körper nicht mehr verbiegen will. Ob die Krefelder Studien in ein Tanzstück fließen, ist noch offen. "Es könnte auch ein Video werden oder eine Installation", überlegt Britta Wirthmüller.

Bis dahin ist es noch ein arbeitsreicher Weg in drei großen Schritten: Erfahrungen am eigenen Körper sammeln, Menschen beobachten und Gespräche mit Menschen führen, die ihren Körper in besonderer Weise wahrnehmen - wie Schwangere oder Patienten mit Phantomschmerzen. Bei der Abschlusspräsentation im Herbst wird zu sehen sein, ob es gelungen ist, das Undarstellbare darzustellen.

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