Lesung: Gewagte Thesen zum Kampf um Troja

Literaturwissenschaftler Raoul Schrott hat den Zuhörern in der VHS einen klugen und mitreißenden Abend beschert.

Krefeld. Hera eifersüchtig, Zeus erbost: auf dem Olymp herrscht Streit. Hephaistos, dem Gott des Feuers, gelingt es jedoch, die Eltern zu beschwichtigen.

Am Abend vertragen sie sich wieder. Mit dieser Szene endete die Lesung aus Homers Ilias, die der Schriftsteller und Literaturwissenschaftler Raoul Schrott neu ins Deutsche übertragen hat.

Diese Übertragung hat Furore gemacht, und auch Schrotts Thesen zu Homers wahrer Herkunft.

Sehr viele Philologen und Büchernarren kamen voller Neugier zu diesem Vortrag (Veranstalter: Der andere Buchladen und die Deutsch Griechische Gesellschaft) und erlebten einen wunderbar klugen und mitreißenden Abend.

Denn Raoul Schrott verfügt auch über die Gabe des Erzählens. Schrott, der Österreicher, der in Irland lebt, studierte Literaturwissenschaft und Komparatistik, schreibt Bücher über Poesie, Gedichte und Romane, übertrug das Gilgamesch-Epos neu und eben die Ilias.

Diese alten Texte gelten als Grundlage aller Kultur ums Mittelmeer.

Den Abend in Krefeld gliederte er in zwei Teile. Zunächst sprach er über seine Arbeit an dem griechischen Text, über Homer und las am Ende aus seiner Übertragung.

Dass Homer kein blinder Erzähler aus dem klassischen Griechenland sei, sondern ein Schreiber aus Kilikien, das ist Schrotts These. "Die Konzeption zeigt: Hier war ein Schreiber am Werk, ein Intellektueller", sagt er.

Dafür wird Schrott von vielen Gräzisten angefeindet, in den Feuilletons diskutiert. Sogar ein Symposium wurde schon abgehalten. Für Schrott kann ein Schreiber wie Homer nur aus einem Kulturkreis kommen, in dem ihm die Quellen auch zugänglich sind.

Schrott hat in der Ilias etwa assyrische Texte, Passagen aus der Bibel und aus dem Gilgamesch-Epos wiedergefunden, und auch nur dort historische Ereignisse ausgemacht, die dem Kampfgeschehen zugrunde liegen könnten.

Auch geographische und klimatische Einzelheiten sprechen für seine These: Nur dort kann man sich Soldaten mit Sandalen vorstellen, nicht aber in den Bergen des Peleponnes.

Homers Heimat ist ein Buch mit Texten, Abbildungen und Karten. Schon diesem Bericht über seine Arbeit lauschten alle Zuhörer konzentriert, aber Schrotts Lesung aus der Ilias fesselte dann besonders.

Mit Gesten und mit seiner Stimme, manchmal auch mit griechischen Abschnitten zog er das Publikum in eine längst vergangene Welt, deren Menschen dieselben Gefühle erlebten wie wir.

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