Theater am Marienplatz Kunstaktion von Suchan Kinoshita: Besucher werden Teil der Installation

Suchan Kinoshita spielt im Theater am Marienplatz mit den Besuchern stille Post.

Theater am Marienplatz: Kunstaktion von Suchan Kinoshita: Besucher werden Teil der Installation
Foto: Dirk Jochmann

Krefeld. Man ist ja im Theater am Marienplatz (Tam) dann doch meistens nur Zuschauer beziehungsweise Zuhörer, also bloßer Rezipient. Empfänger oder Adressat der künstlerischen Aktion bleibt man auch bei Suchan Kinoshita, die im Tam im Mai ihre Produktion „Chinese Whisper/Téléphone arabe“ zeigt. Die Münsteraner Kunstprofessorin verlangt den Besuchern dann aber doch ein wenig mehr ab. Bei ihr muss man sich in eine Kunstinstallation hineinbegeben, um an ihrer Aktion teilzunehmen, damit wird man — eigentlich aber nur offensichtlicher als sonst — selbst zum Teil des Vorgangs.

Im Bühnenraum des Tams empfängt den Besucher ein nach oben offener Kubus als Raum im Raum, die Wände bestehen aus weißen, gelochten Spanplatten. Der Zugang ist schmal und wird während der Aktion geschlossen. Im Inneren nehmen die Besucher auf Stühlen Platz. An jeder Wand ist Platz für sechs Sitzgelegenheiten. Man sitzt gewissermaßen auf einem umlaufenden Steg, in der Mitte befindet sich eine quadratische Vertiefung. In dieser steht ein ungefähr 80 Zentimeter hoher Glaskörper in der Form einer übergroßen Sanduhr.

„Chinese Whisper/Téléphone arabe“ heißt die Aktion, im deutschsprachigen Raum würde man von stiller Post sprechen. Texte nach diesem Prinzip wurden vorher aufgenommen, Frauen- und Männerstimmen flüstern sie in Kinoshitas Kubus über vier mittig an den oberen Wandenden angebrachte Lautsprecher auf die Besucher hinab. Sie flüstern tatsächlich, man muss sich konzentrieren, um zu verstehen.

Teilweise drehen sich die kurzen Textpassagen selbst um Kommunikation, die aber auch dann Thema bleibt, wenn von der „Ziege als Kuh des kleinen Mannes“ die Rede ist. Denn natürlich verändern sich die Passagen bei jeder Wiederholung, und man wird Zeuge der Veränderung, teils auch der völligen Verballhornung von Information.

Man schmunzelt darüber, aber dann fragt man sich auch: Würde man jetzt selbst die Ausgangspassage Wort für Wort hinbekommen? Eher nicht. So vergeht die Zeit, und man wird nicht schlauer. Fast wie im richtigen Leben.

Apropos Zeit. Die übergroße Sanduhr in der Mitte macht sie einem auf lustige Weise klar. Das Glasobjekt ist mit Öl und Wasser gefüllt, das Öl schwimmt oben. Lange Zeit passiert hier nichts, bis eine von oben herabgelassene Wärmflasche, die sich an den unteren Teil des Objekts schmiegt, Wärme ins Spiel bringt. Diese bewirkt offenbar, dass im oberen Teil des Objekts Gasblasen aufsteigen, als würde nicht nur Zeit vergehen, sondern auch noch rückwärts laufen.

Kinoshitas Kunstaktion ist die Wiederaufnahme einer Arbeit, die sie 2007 ursprünglich für die internationale Ausstellung „Skulptur Projekte“ in Münster geschaffen hat. Sie ist unspektakulär und vielleicht auch nur banal? Jeder muss es für sich selbst herausfinden. Besuchen Sie Kinoshitas Kubus und lauschen Sie — vielleicht auch in sich selbst hinein.

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