Serie Kunst im öffentlichen Raum: Ohr oder nicht Ohr?

Serie Kultur trotz Corona: Heute stellen wir Richard Deacons Plastik „Building from the inside“ auf dem Voltaplatz vor.

 Richard Deacons Plastik „Building from the inside“ von 1992 regt die Fantasie an – auch wenn sie nach einer Reinigung 2015 leider heute erneut Verschmutzungen aufweist.

Richard Deacons Plastik „Building from the inside“ von 1992 regt die Fantasie an – auch wenn sie nach einer Reinigung 2015 leider heute erneut Verschmutzungen aufweist.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Alle Museen sind geschlossen und viele mögen eine immer stärkere Sehnsucht nach Kunst in sich verspüren. Welch Glück, dass es da die heutigen digitalen Möglichkeiten gibt; da können sich auf Webseiten von Kulturorten ganze kulturelle Welten öffnen. Es gibt viel auch von zu Hause aus zu sehen, ohne vor die Tür gehen zu müssen. Aber wer sich damit nicht begnügen möchte und einen Spaziergang machen will, der muss auch in heutigen Zeiten nicht ganz auf Kunst verzichten, denn es gibt die so wunderbare Erfindung von Kunst im öffentlichen Raum.

Das sind meist Plastiken oder Skulpturen, beziehungsweise je nachdem auch Objekte anderer Art, die auf Plätzen aufgestellt sind, um dort Kunst in unseren Alltag zu bringen. Die Stadt zu schmücken – ja, aber auch um ästhetische Dialoge mit der Umgebung zu führen, um Menschen auch mal neugierig zu machen.

In Krefeld finden sich auch etliche Kunstwerke im öffentlichen Raum, die sich doch ganz trefflich als kleine Station auf einem Spaziergang eignen können. Gerne möchten wir auf der Krefelder Kulturseite in loser Folge immer wieder Werke vorstellen, die Kunst sind, aber für die man nicht in ein Museum gehen muss. Den Auftakt macht ein Objekt, das eigentlich an einem eher ungemütlichen Ort steht und vielleicht auch deshalb mal in den Fokus rücken sollte.

Ein wenig wie ein außerirdisches Objekt wirkt die große metallene Plastik „Building from the Inside“ von Richard Deacon auf dem Voltaplatz (Dreieck zwischen Siemensstraße, Ritter- und Voltastraße) unweit der Straßenbahnschienen auf einer Wiese stehend. Vielleicht mag die aus großen – etwa sechs Meter hohen – nierenförmigen Ringelementen konstruierte gebogene Röhre auch ein wenig so anmuten, wie die Vergrößerung eines organischen Objekts. Ein Teil eines Herzens, eine Ader? „Building from the Inside“ – auf deutsch „Gebäude vom Innern“ oder „Bauen von innen heraus“ – mag vielleicht Hinweise geben.

Oder ist die große Edelstahlplastik die 1992 installiert wurde, doch eine Hommage an weite kosmische Welten, wo Wurmlöcher und ähnliche Strukturen beheimatet sind. Manche mag das Objekt auch an einen Schnitt durch so etwas wie einen Fusionsreaktor erinnern – wer weiß. Besonderes Kennzeichen des Objektes, das bisweilen gerne auch als „Doppelohr“ bezeichnet und somit in seiner Vieldeutigkeit irgendwie auch banalisiert wird, ist neben ihrer sonderbar einprägsamen, organischen und doch technischen Form die spezielle Konstruktion. In der auch ein Bezug zum Titel verborgen liegen mag.

Denn das Innere der sorgsam gefügten Konstruktion ist glatt, eigentlich ganz rein, um etwas ohne Widerstand durchzulassen. Das Innere birgt das eigentliche Geheimnis, das einem fast dazu einlädt, hineinzuschreiten und zu schauen was dann passieren mag. Somit muss das Äußere die technischen Spuren sichtbar machen. Dort sind Nähte und Verschraubungen sichtbar. So organisch die Plastik auch wirken mag, von außen verrät sie ihre technische Seite.

Diese Ambivalenzen sind es ohnehin, mit denen der Schöpfer dieser Arbeit, der 1949 in Wales geborene Richard Deacon, spielt. Wie sich ineinander windende Röhrensysteme, manchmal sogar an unmögliche Objekte erinnernd, wenngleich sie durch ihre physikalische Realität dann doch möglich sind, erscheinen uns viele seiner Arbeiten. Doch auch immer muss man an Natur, vielleicht sogar Natur unter dem Mikroskop denken. Die Fantasie regen die Werke des Turnerpreisträgers, der auch Professor an der Düsseldorfer Kunstakademie war, auf jeden Fall an.

Skulptur wird leider
immer wieder beschmutzt

Übrigens: die Plastik auf dem Platz war ein Geschenk der Kulturstiftung der Sparkasse Krefeld, und der Standort wurde von dem Künstler selbst gewählt. Als Folge des von den Kunstmuseen Krefeld initiierten Projekts „Skulpturen für Krefeld“. Was man allerdings wohl nicht bedacht hatte, wie sorglos und respektlos manche Menschen mit Kunst im öffentlichen Raum umgehen – nicht nur ein Krefelder Phänomen. Denn es hatten sich mit der Zeit etliche Beschmierungen auf dem Kunstwerk angesammelt: Graffiti und Co. So kam es 2015 zu einer umfassenden Reinigung. Doch blickt man heute auf das so ästhetische Objekt, so sieht man leider, dass Einzelne erneut angefangen haben, es zu beschmutzen. Kunst im öffentlichen Raum ist für uns alle da. Deshalb sollten auch alle auf sie achten und sorgsam mit ihr umgehen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort