Film „Werk ohne Autor“ und die Fiktion von Beuys und Co.

Krefeld · Kultur trotz Corona: Heute empfehlen wir Florian Henckel von Donnersmarcks Film, der von Gerhard Richters Leben inspiriert wurde.

 Künstler Kurt Barnert (Tom Schilling) in einer Szene des Films „Werk ohne Autor“.

Künstler Kurt Barnert (Tom Schilling) in einer Szene des Films „Werk ohne Autor“.

Foto: dpa/-

Der – eindeutig – in Krefeld geborene Künstler Joseph Beuys hat um sein Leben und seine Lebensgeschichte bisweilen viel Uneindeutiges heraufbeschworen. Selbst um seinen Geburtsort, ist er auch dank Urkunde im Krefelder Stadtarchiv eindeutig nachweisbar, machte der Künstler viel Nebel, schrieb selbst in seinem Lebenslauf-Werklauf von Kleve als seiner Geburtsstadt. In jener er zugegebenermaßen aufwuchs. Nun wenn es das Weben von künstlerischen Biografien geht, trifft man nicht selten auf gerne auch mal mehr Dichtung als Wahrheit.

Vergleichbar ist es bei der filmischen Aufarbeitung von Leben von großen Persönlichkeiten – diese sind naturgemäß, mal mehr, mal weniger, auch mit vielen fiktiven Details aufgeladen. Manchmal sogar mit fiktiven Plots überstülpt, wie im wohl berühmtesten Beispiel „Amadeus“ von Miloš Forman nach dem Theaterstück von Peter Shaffer, in dem Mozarts Lebensgeschichte mit purer Fantasie vermengt wird und schlussendlich eine große Melange aus Märchen und Pseudo-Wahrheit herauskommt. Weniger verzaubernd und mitziehend wird die Geschichte dadurch nicht. Und der Film ist seit seiner Veröffentlichung 1984 einfach nur Kult.

Im Film steht der Name Kurt Barnert für Gerhard Richter

Ähnlich verhält es sich vielleicht auch bei dem Film, den wir hier gerne empfehlen wollen und der gut auf die Krefelder Kulturseite passen mag, weil eben jener Beuys – oder nennen wir es vielleicht besser das fiktive Pendant zu Beuys – eine durchaus tragende Rolle spielt. „Werk ohne Autor“ von Florian Henckel von Donnersmarck aus 2018 beschreibt Teile der Lebensgeschichte eines Künstlers – eines noch lebenden Künstlers – dessen Figur ganz offen und unverständlich an Gerhard Richter angelehnt ist. Übrigens Richter selbst hat sich kritisch über den Film geäußert. Heißt Richter zwar in dem Film (gespielt von Tom Schilling) Kurt Barnert – so wie auch alle anderen Figuren anders heißen als ihre Vorbilder. Es geht um Richters Leben und dennoch um Fiktion – eine Dialektik, die man aushalten muss. Nicht nur künstlerisch, ganz eindeutig, sondern auch biografisch, wie etwa die Rolle der durch die nationalsozialistische Euthanasie ermordeten Tante oder beispielsweise die Figur von Richters erstem Schwiegervater, der selbst Täter war. Durch eindringliche Schilderungen deutscher Zeitgeschichte, sowohl während des Nationalsozialismus als auch in der Nachkriegszeit – zunächst in Dresden, im Osten, schließlich im Westen.

Ein wichtiger Teil des Filmes ist Richters Zeit in Düsseldorf an der dortigen Kunstakademie. Dort trifft er auf den Professor Antonius van Verten, der in dem Film ziemlich eindeutig nach Beuys gezeichnet wird. Sehr überzeugend gespielt von Oliver Masucci begegnen wir einem sonderbar ätherischen Menschen, durch dessen Figur so etwas wie die kondensierte etwas vereinfachte aber dadurch schön greifbare „Aura“ von Beuys hindurchscheinen mag. Was indes schön ist, dass wir ja ohnehin sehr viele Ton- und Bilddokumente von Beuys haben – auf Youtube lassen sich wahre Schätze finden, auf die wir vielleicht an anderer Stelle eingehen wollen. Somit haben wir den „echten“ Beuys, wie er sich selbst inszenierte und einen „inszenierten“ in einem Spielfilm, der diese Figur – wie immer in filmischer Ästhetik – zeitgleich reduziert und auflädt oder besser zuspitzend vergrößert. In diesem Spiel mit Erkennen und Wiedererkennen und der Folie einer mit fiktiven Details aufgeladenen filmischen Welt, macht derartige Filme faszinierend.

Der Film, bei dem sowohl Drehbuch als auch Regie von Henckel von Donnersmarck stammen, lebt aber auch von der kunstvollen „neoklassischen“ Musik von Max Richter, die den Betrachter auf fast hypnotische Weise mittels sich mehr und mehr ausweitender Klangteppiche in die Bilder (Kamera: Caleb Deschanel, Schnitt: Patricia Rommel) zieht. Gewiss, man könnte, wenn es denn wollte, „Richters“ Vorwurf des „reißerischen“ durchaus in einigen Passagen des Films finden. Doch die Regeln der filmischen Kunst spielen mit anderen Mitteln als die Ästhetiken bildender Kunst.

Für uns alle, die wegen Corona zurzeit auf Besuche in Museen und Co. verzichten müssen, mag dieser Film (in weiteren Hauptrollen: Sebastian Koch, Paula Beer, Saskia Rosendahl und Ina Weisse) auf jeden Fall eine schöne und kunstvolle Alternative mit viel Stoff zur Reflexion sein.

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