Kresch-Kreativlabor: Junge Wilde stellen „Faust“ auf den Kopf

Bei der Premiere im Südbahnhof werden junge Schauspieler zu Theatermachern. Das Publikum ist begeistert.

Krefeld. Dass ein Klassiker wie Goethes "Faust" viel mehr ist als eine Handvoll verstaubter Sprüche, das beweist die ausverkaufte Premiere von "Faust I" im Südbahnhof. Wenn junge Schauspieler zu Theatermachern werden, kann das zur grandiosen Vorstellung führen, das hat das Kresch-Kreativlabor mit der Aufführung eindrucksvoll bewiesen.

Mehr als die Tragödien in Goethes "Faust" sind die vielen Zitate in Erinnerung geblieben, und das soll sich ändern. Unter der künstlerischen Leitung von Anna Brass und René Linke haben sieben junge Regisseure und 18 junge Spieler sich aufgemacht, durch "Deutschlands erstes Textmuseum" zu toben und die Phrasen aufzumischen.

Die jungen Wilden, so könnte man die Theatermacher nennen, machen den kompletten Südbahnhof zur Bühne. Ein Lageplan klärt über die einzelnen Standorte auf. Das Dach wird zum Dom. Vor der Aufführung finden sich die Besucher mit Klappstühlen am Eingang ein.

"Rette mich vor Schmerz und Tod", eine Stimme erinnert Gretchen an die Schuld, die sie am Tod von Mutter und Bruder trägt. "Er liebt mich, er liebt mich nicht", Blatt für Blatt zupft Gretchen die Rosen ab. "Der Worte nun genug gewechselt", wird das Publikum hineingebeten, geradewegs in den Kerker.

Gretchen, in Weiß gekleidet, läuft barfuß die Treppe hinunter. Ihr Bewusstsein steht im Widerspruch zum Unbewussten. "Bin ich nun selbst der Sünde bloß?"

Gretchen, eindrucksvoll dargestellt durch Lea Schulz und Wanda Taeter, erkennt ihre Schuld nicht, kindlich gibt sie sich der Freude hin, nur in der Erinnerung glaubt sie, ihr Kind noch retten zu können. Leuchtendes Blut auf weißem Kleid, ihr Kind ist tot. "Im Kerker ist Gretchen komplett wahnsinnig", stellt Julia Lohmann fest. Die Siebzehnjährige hat Regie geführt bei der Kerker-Szene.

"Und sehe, dass wir nichts wissen können!" Ein Gewölbe ausgekleidet mit Wissen - Zeitungen hängen von Wänden und Decke im Studierzimmer. Für die Szene zeichnen die Jung-Regisseure Moritz Rüge und Leon Frisch verantwortlich. Abgeschottet im Kokon der Informationen wühlt sich Faust durch Papier, sucht nach Erkenntnis, plagt ihn doch zu wissen, dass er nichts weiß. Die Darsteller des Faust sind u.a. Steffen Keller und Ines Boegen, die sich bei der Probe einige Tage zuvor den Arm gebrochen hat.

Mephisto verführt Faust, umgesetzt durch Leonie Vester und Cyprian Zajt, die bereits in "Parese" brillant gespielt haben und es auch diesmal wieder tun. Auerbachs Keller ist wie eine Röhre. "Will keiner lachen, will keiner trinken?" Fünf junge Mädchen feiern eine Crashparty. Wie Hamster im Laufrad unentwegt in Bewegung sind sie, als ein Zug passend zur schnelllebigen Atmosphäre der Szene über die Gleise auf dem Dach des Südbahnhofs rast.

Zum Schluss gibt es viel Applaus für einen großen Theaterabend.

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