Porträt Regisseurin Maja Delinić geht neue Wege

Krefeld · Seit 2016 war die gebürtige Fränkin mit kroatischen Wurzeln Assistentin am Theater Krefeld-Mönchengladbach, inszenierte „Tschick“ und „Nipple Jesus“. Nun verlässt sie das Theater, um sich als freie Regisseurin neuen Projekten zu widmen. Wir sprachen mit ihr über ihre Arbeit.

 Regisseurin Maja Delinić verlässt das Theater Krefeld/Mönchengladbach, um zukünftig frei zu arbeiten – wenngleich sie sich am Haus sehr wohl gefühlt hat und in Krefeld heimisch geworden ist. Anfragen von Theatern für die Saison 2020/21 gibt es schon, auch über NRW hinaus.

Regisseurin Maja Delinić verlässt das Theater Krefeld/Mönchengladbach, um zukünftig frei zu arbeiten – wenngleich sie sich am Haus sehr wohl gefühlt hat und in Krefeld heimisch geworden ist. Anfragen von Theatern für die Saison 2020/21 gibt es schon, auch über NRW hinaus.

Foto: Andreas Bischof

Maja Delinić ist dem Krefelder Publikum bestens bekannt. Wenngleich sie „nur“ – dieses „nur“ muss emphatisch in Frage gestellt werden – Regieassistentin am Theater Krefeld/Mönchengladbach war, so hat sie in ihrer Zeit an dem Doppel-Haus zwei beachtenswerte Arbeiten vorgelegt. „Nipple Jesus“– das sie übrigens selbst vorgeschlagen hatte –, für dessen Inszenierung und Bühnenkonzept sie verantwortlich zeichnete, von Nick Hornby und eine Adaption von Wolfgang Herrndorfs Roman „Tschick“.

Doch mit Ende dieser Spielzeit wird sie ihre Stelle als Regie-Assistentin aufgeben – obwohl sie in Krefeld heimisch geworden ist und sie mit positiven Gefühlen an ihre Lebensstation am Theater Krefeld zurückdenkt. Doch zieht es sie weiter, zu neuen Aufgaben als freie Regisseurin. Aber wie kam sie eigentlich dazu? Was hat sie dazu bewegt Regie zu machen, Theater zu gestalten, Geschichten szenisch zu gestalten, Bilder miteinander reagieren zu lassen, Klang und Bild aufeinander zu beziehen, Menschen zu lenken, ihr kreatives Potential zu aktivieren? All das und vieles mehr ist mit der Arbeit als Regisseurin verbunden.

Delinić entdeckte ihre Liebe zum Theater in Russland

Es war eigentlich fast Zufall, dass sie zum Theater kam – wobei man natürlich immer fragen muss, ob es solch glückliche Zufälle überhaupt gibt. Maja Delinić studierte Slavistik (Literatur) und Kunstgeschichte (Global Art) zunächst in Heidelberg, schließlich in einem Auslandssemester auch an der Staatlichen Universität zu Sankt Petersburg. Und dort kam es zu dieser besonderen Begebenheit, die ihre Liebe zum Theater entfachte. Es gab eine Professorin, die ihr eine Liste der „besten Theaterstücke“ in Petersburg gab. Die „Goldene Liste“ dieser Theaterkennerin hat Delinić fleißig abgearbeitet, alles angeschaut. So hat sie mit 27 das Theater für sich entdeckt.

Nach einer Hospitanz am Schauspielhaus Düsseldorf – indes zunächst an der Dramaturgie – und schließlich als Regieassistentin sammelte sie erste Erfahrungen. Obwohl ihr dort angeboten wurde zu verlängern, entschied sie sich, an das Theater Krefeld/Mönchengladbach zu gehen. „Ich wollte auch ein anderes Theater kennenlernen“, sagt sie. Denn hier durfte sie sich weiterentwickeln, durfte schließlich sogar zwei Inszenierungen selbst gestalten. Und das sei genau das, was sie machen wollte. Mit „Nipple Jesus“ stürzte sie sich sogleich in ein anspruchsvolles Genre, ein Einmannstück, psychologisch, philosophisch. „Ein Monolog ist eine der schwierigsten Sachen im Theater“, erklärt Delinić. Für die Produktion hatte sie lediglich zwei Wochen Probezeit. „Ich bin der Meinung, dass weniger Zeit oft zu besseren Ergebnissen führt“, sagt sie. Denn Grenzen würden Kreativität schaffen. Das war die erste Regieerfahrung, die sie hatte. Auf die Frage, wie sich das angefühlt habe antwortet sie ohne Zögern aus vollem Herzen: „Super.“

Dann folgte das Jugendtheaterstück „Tschick“, das sie aber bewusst so inszeniert hat, dass es sowohl für Jugendliche als auch für Erwachsene funktioniert. „Wenn man ein Theaterstück für ein bestimmtes Publikum macht, dann möchte man gefallen. Dann ist man mit der Frage nach der Kunst konfrontiert“, erklärt sie auf unsere Nachfrage hin. „Mir war bei dieser Inszenierung dieses gewisse nostalgische Gefühl sehr wichtig“, sagt sie. Etwas, das bei Jugendromanen, die man bisweilen erst als Erwachsener wirklich begreift, häufiger den Betrachter ereilt.

Was ist ihr wichtig bei einer Regierarbeit? Wie ist ihr Zugang? Delinić lässt die Stücke zunächst in sich „arbeiten“ und lässt ihren Gedanken freien Lauf. Spannend dabei sei, verschiedene Konzepte zusammenzubringen, um so neue Ideen entstehen zu lassen. Im Grunde ein dialektischer Prozess. Dabei ist die Suche nach Leitmotiven – das verdanke sie ihrem geisteswissenschaftlichen Studium – für den Prozess zentral. „Bei Tschick waren diese für mich Alkohol, vernachlässigte Kinder, Einsamkeit und Wasser“ – Wasser komme bei Jugendromanen immer wieder vor, so auch bei Herrndorf. Unwetter, Reinigung, Swimmingpool. „Dieses Motiv wiederholt sich und entwickelt sich“, sagt sie. Besonders viel Freude bereite ihr – beschreibt sie – wenn man in Inszenierungen kleine Aspekte versteckt, die der Zuschauer entdecken kann, wenngleich das Stück auch ohne diese kleinen versteckten „Dinge“ immer noch funktioniert. Diese Aha-Momente seien ihr sehr wichtig.

Sie suche auch nach Parallelen in anderer Kunst. Bei Tschick gebe es solch einen kleinen „Hinweis“ zu Fight-Club. Spiegelung, Doppelgänger-Motiv. Auch Musik sei ein wichtiger Teil ihres Weges zu einem Stück. Bei „Nipple Jesus“ hat sie etwa „Personal Jesus“ von Depeche Mode in verschiedenen Varianten eingearbeitet.

Und wohin zieht es die freie Regisseurin nun? Die 33-Jährige ist mit mehreren Theatern im Gespräch in NRW und über NRW hinaus – die meisten Produktionen werden aber wahrscheinlich eher in der Saison 2020/21 von ihr zu sehen sein. Es brauche auch Zeit, sich für die kommenden Projekte vorzubereiten. Sie sei mit der momentanen Situation sehr zufrieden. Übrigens – sie wird in Krefeld wohnen bleiben. „Ich habe mich in die Stadt verliebt“, sagt sie. Sie sei hier sehr herzlich aufgenommen worden.

Könnte sie sich vorstellen, auch mal eine Oper zu inszenieren? „Das finde ich sehr spannend“, sagt sie. Es sei eine ganz andere Kunst – aber es wäre schön, wenn es mehr Projekte gebe, in denen beispielsweise Grenzen verschwimmen. Die israelische Theater- und Fernsehregisseurin Dedi Baron hat sie nach Tel Aviv eingeladen, dort inszeniert sie auch Opern, dabei wird Delinić sehr gerne zusehen und sich Inspiration holen, führt Delinić aus.

Wenn man heute einen Blick auf Theater oder allgemein performative Künste richtet, so gibt es immer wieder Fragestellungen, die mitschwingen, offenbar mitschwingen müssen; wie steht es um die Gleichberechtigung, wie um den Umgang miteinander und so weiter? Delinić berichtet, dass sie in Düsseldorf einen Frauentreff für Künstlerinnen gegründet haben. Sie seien 65 Frauen aus Düsseldorf, Krefeld und Neuss, aus den unterschiedlichen Richtungen, vom Theater, vom Film, Autorinnen oder auch über die Kunstwelt hinaus. Es gehe auch darum, ein Netzwerk für Frauen aufzubauen. Das Projekt hat noch keinen Namen.

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