Satire : Nachrichten wie in der Heute-Show
Krefeld. Das Internet-Magazin „Der Postillon“ trat mit seiner neuen Live-Show in der Kulturfabrik auf.
Stakkatoartig schossen die Originalsprecher der Postillon-Video- und Radionachrichten, Anne Rothäuser und Thieß Neubert, ihre giftigen Satirepfeile dem Publikum in der fast ausverkauften Kulturfabrik entgegen. Im Wechselspiel der beiden folgen Schlagzeilen auf Kurznachrichten und Kommentare. Dazu gibt es Videos mit Bildern und Texten, die für ein kurzweiliges Showspektakel sorgen. Mal spitzfindig, plakativ oder humorvoll – aber oft auch bitterböse satirisch – verlesen Rothäuser und Neubert ihre frei erfundenen Nachrichten. Die erfundenen Nachrichten sind als solche meist leicht erkennbar, weil Darstellung und Text derart überzeichnen, dass man sie nur schwerlich als Wahrheit empfinden kann. Wenn aber Radiosender und Online-Medien mitunter die Postillon-Meldungen ohne Quellenangabe raushauen, kommt es immer wieder vor, dass Politiker die Aussagen für bare Münze und investigative Ergebnisse von Journalisten halten, diese ernsthaft kommentieren und sich so öffentlich blamieren.
Die Live-Show ist eine Mischung aus Tagesschau und satirischer Heute-Show. Rothäuser und Neubert sind routiniert, haben ihre Sprecherrollen kühl bis überheblich angelegt. Gleich ihre ersten Kontaktaufnahmen zum Publikum gingen deshalb in die Hose, als sie ihm mangelnde Intelligenz unterstellten, ohne aufzulösen, dass das schon Teil des Satire-Programms war. So war die Stimmung im Saal zunächst unterkühlt, und die Akteure mussten zum ersten Applaus regelrecht animieren. Danach verziehen die Krefelder den anfänglichen Fauxpas ohne Satire-Vorwarnung und spendeten bereitwillig Beifall.
Das 90-minütige Programm spießt politische und gesellschaftliche Themen aus aller Welt auf. Der Postillon begeistert als einer der erfolgreichsten deutschen Blogs täglich tausende Leser. Allein die Facebook-Seite hat weit mehr als zwei Millionen Fans und damit mehr als der Auftritt von Bild.de. Seit 2017 tingelt die Live-Show über Deutschlands Bühnen – jetzt in ihrer zweiten Auflage. Eines der Erfolgsrezepte sind kreative Wortspiele. Beispiel: „Rührend: Koch kümmert sich um Suppe.“ Irrwitziges mit verblüffenden Schlussfolgerungen kommt ebenfalls bestens an. So heißt es, Hacker hätten sich Zugang zum Computer der Bahn verschafft. Seitdem seien alle Züge pünktlich.
Außerdem legen die Postillone Wert auf aktuelle Meldungen wie zum Coronavirus. So wird passend zur erneuten Wahl im Thüringer Landtag der AfD-Kandidat Björn Höcke auf der Videowand mit Hitlergruß gezeigt. Kommentar: „Er hat einen Gruß erfunden, der das Händeschütteln und damit eine Ansteckung mit Viren unter lauten Heil-Rufen vermeidet.“
Topaktuell auch die Meldung aus Luxemburg: Das Land bietet als erstes auf der Welt den öffentlichen Nahverkehr gratis an (Achtung: das ist in der Tat der Fall). Der Nachteil: Jetzt würden Tausende von sadistischen Fahrkartenprüfern arbeitslos und auf die Menschheit losgelassen.