Kunst Felix Droese — der Visionär

Krefeld · Der Krefelder Galerist Ralph Kleinsimlinghaus präsentiert eine Ausstellung zum 70. Geburtstag des Künstlers.

 Felix Droese in seiner Ausstellung in der Villa Goecke an der Tiergartenstraße 57.

Felix Droese in seiner Ausstellung in der Villa Goecke an der Tiergartenstraße 57.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Felix Droese feiert seinen 70. Geburtstag in der Villa Goecke an der Tiergartenstraße 57 in Krefeld. Sein Galerist Ralph Kleinsimlinghaus gab wie schon zu Droeses 60. Geburtstag Suppe aus. Das dazu gehörende Fleisch hatte Droese allerdings selbst spendiert, es stammte von einem Hochlandrind auf seiner Weide am denkmalgeschützten Bauernhof in Mettmann. Der Künstler revanchierte sich auch in künstlerischer Weise bei seinem Galeristen, indem er gleich zwei neue Editionen herausbrachte.

Kleinsimlinghaus nennt seinen Künstler „einen der letzten großen Visionäre in der aktuellen Kunst“,  einen kritischen Kommentator in Politik, Philosophie, Religion und Gesellschaft“. Er sei  „hochsensibiliert und feinhörig in allen das Leben betreffenden Entwicklungen“. Seit seiner Jugend gelten seine Werke als Kommentare zur kleinen und großen Weltereignissen.

Beuys bestärkte den
Künstler in jungen Jahren

Zur Vita nur so viel: Der Sohn eines altkatholischen Pfarrers verlebte seine Kindheit auf der Nordseeinsel Nordstrand bei Husum. 1966 zog die Familie nach Essen, wo der Junge 1969 die Schulzeit ohne Abitur beendete und als Landesvermessungsgehilfe arbeitete. Von 1970 bis 1976 studierte er mit Unterbrechungen an der Düsseldorfer Kunstakademie, anfangs bei Peter Brüning. Nach dessen überraschendem Tod leistete er zunächst einmal seinen Wehrersatzdienst in der psychiatrischen Landesanstalt „Grafenberg“ ab, dann wurde er Flurstudent an der Akademie und hielt sich hauptsächlich in der Beuys-Klasse auf.

Sein Lehrer bestätigte ihn im Glauben, dass man mit Kunst die Welt verändern oder verbessern könnte. So half er bei der Pflanzung der tausend Eichen in Kassel, engagierte sich in der Vereinigung Sozialistischer Kulturschaffender und wurde bei einer Vietnam-Demonstration 1972 in Köln wegen schweren Landfriedensbruchs zu sieben Monaten Gefängnis verurteilt, ausgesetzt zu drei Jahren auf Bewährung.

Wie der Aushilfsarbeiter schlagartig berühmt wurde

In seinem bewegten Leben war er Aushilfsarbeiter, arbeitete bei einem Friedhofsgärtner in Meerbusch-Büderich, bewarb sich als Kandidat für die Grüne Alternative Liste bei den Kommunalwahlen in Düsseldorf und kümmerte sich im Übrigen um Fragen des Geldes, der Ökonomie und der Ökonomisierung. Doch dann wurde er über Nacht berühmt und 1981 in der „Westkunst“-Schau in Köln als Nachwuchskünstler gefeiert. Mit der Papierschnitt-Installation „Ich habe Anne Frank umgebracht“ erhielt er 1982 auf der Documenta in Kassel schlagartig internationale Beachtung, diskutierte er doch in einer sieben Meter hohen Papierschnitt-Collage, in Scherben und einem Papiersarg die Verdrängungen in der deutschen Politik der Nachkriegszeit.

Der Pfarrerssohn stellt immer wieder Gewissensfragen und mischt sich ein.  So protestierte er 1984 auf der Biennale von Sydney mit elf zerschnittenen Rinderfellen, die in den Rundbögen des Ausstellungsgebäudes hingen, gegen Tierversuche. 1988 verwandelte er den Weiheraum des deutschen Biennale-Pavillons in Venedig mit 24 Kartonschnitten in einen Kunst- und Protestraum. Über dem Schriftzug „Bundesrepublik Deutschland“ brachte er einen Zusatz an, indem er mit dem Schweißbrenner aus einer Stahlplatte die Worte  „Haus der Waffenlosigkeit“ ausschnitt und aufhängte.

Er erzählt, wie die Amerikaner den Pavillon schließen lassen wollten, weil der Text mit Politik zu tun hätte. Derweil nannten die Franzosen die Deutschen die letzten Angeber, verdienen sie doch zugleich als große Waffenhändler ihr Geld. Droese aber nahm den erweiterten Kunstbegriff von Beuys total ernst. Fragen zur Umwelt, zur Entwicklung von Kultur, Religion und Politik verinnerlichte er, bezog Stellung und mischte allzu gern auch den etablierten Kunstbetrieb auf.

Ein Weizenkorn aus nichts als Spucke und etwas Papier

Seit seiner Kindheit entstehen mit dem Messer Papierschnitte. Gern erzählt er, wie er als „kleiner Maoist“ den Chinesen nacheiferte und ihre kleinen Papierschnitte verkaufte, denn im Land der aufgehenden Sonne wird diese Kunst seit 5000 Jahren praktiziert. Er machte schließlich wandfüllende Arbeiten. Im Kaiser-Wilhelm-Museum in Krefeld wie im Düsseldorfer Kunstpalast und in der Hamburger Kunsthalle sind sie zu bewundern, sofern man sie nicht im Depot verstaut.

Für die aktuelle Krefelder Ausstellung schuf er seine kleinsten Kunstwerke. Sie sind nur 0,6 Millimeter groß. Er erklärt: „Ich habe Papier in den Mund genommen, geformt und wieder ausgespuckt. Es kamen Weizenkörner heraus.“ Aus ihnen könnte, so der Künstler, neues Leben entstehen, zumindest symbolisch.

Kunst, mit etwas Spucke hergestellt, ist natürlich eine Persiflage auf den Kunstmarkt, den er oft unterlaufen hat. 1996 bot er Kunstwerke zum symbolischen Nonsenspreis von 80 Pfennig oder aber für 18 000 Mark an, um die Preispolitik der Galerien lächerlich zu machen. Berühmt wurde er, als er zwei Billigdrucke bei Aldi in einer Auflage von 10 000 Stück bereithielt, die sofort verkauft wurden. Es war ein Schnäppchen selbst für ihn, denn er bekam zwar pro Blatt nur einen Euro, aber in der Summe ergab es 10.000 Euro. Aldi aber hatte die Nase vorn, denn die Firma verlangte für das gerahmte Ding 12,99 Euro.

Das „Recht auf Faulheit“ im Arbeitsministerium des Bundes

Besser entlohnt wurde er nur durch den Bund, als das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BAMS) sein Kunst-am-Bau-Projekt realisierte und dafür 70.000 Mark zahlte. Seitdem schmücken schematische Darstellungen von Stieren in kräftigen Farben die Flure des Ministeriums. Sein Kommentar zu diesem Werk: „Ich wollte Arbeit als etwas Positives annehmen. Der Mensch kann ja gar nicht anders als sich durch Arbeit definieren. Deshalb ist der Zeus, der stets als Stiersymbol übertragen wird, an dieser Stelle so wichtig. Mir vermittelt der Stier sehr viel Kraft.“ Im ersten Stockwerk spendierte er einen Druck mit der Aufschrift: „Recht auf Faulheit“. Dabei ging es weniger um einen Mythos als möglicherweise ums Beamtentum.

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