Comedy Hemmungsloses Spiel mit Klischees

Der Comedian Abdelkarim spann in der Kulturfabrik feinsinnige Geschichten mit Humor.

 Brachte sein Publikum zum Lachen: der deutsch-marokkanische Comedian Abdelkarim in der Kulturfabrik.

Brachte sein Publikum zum Lachen: der deutsch-marokkanische Comedian Abdelkarim in der Kulturfabrik.

Foto: Andreas Bischof

Als „Staatsfreund Nr. 1“ – so sein neues Programm – erzählt Abdelkarim authentisch und selbstironisch Geschichten aus seinem Leben. Dabei spielt er hemmungslos mit kulturellen Klischees und Vorurteilen auf der Migrationsklaviatur. Geboren wurde er als Sohn marokkanischer Einwanderer in der Bielefelder Bronx. Reichlich Zündstoff also für Kabarett und Comedy mit „Migrationsvordergrund“. Unter Insidern gilt es mit als das Beste, was dieses Genre derzeit zu bieten hat. Er schafft es, seinen Alltag derart humoristisch aufzuarbeiten, dass Parallelwelten deutlich werden, ohne dass er direkt politisch wird.

Beeindruckende Schlagfertigkeit und der richtige Ton

Der daraus resultierende Witz kommt natürlich rüber, aber nicht aufgesetzt. Allerdings wirken seine feinsinnigen Geschichten mitunter auch irritierend. Das Publikum lacht verunsichert und überlegt, ob die Aussage jeweils reiner Beobachtung entspricht, hintersinnig gemeint ist oder gar entlarvend gesellschaftspolitisch. Deshalb fällt es auch schwer, die Inhalte zwischen Kabarett und Comedy zu unterscheiden. Abdelkarim bedient Beides. Natürlich bewegt er sich auf dem Feld der Stand-Up-Comedy. Gleich zu Beginn baut er Kontakt zum Publikum auf und beweist dabei beeindruckende Schlagfertigkeit. Findet auf Anhieb den richtigen Ton, gleich, ob er mit einer Gruppe Türstehern, mit einer Altenpflegerin, mit einer Seniorin oder einem 14-jährigen Schüler spricht.

Er parliert frei und wortgewandt. Ganz offensichtlich kommt der sympathische Entertainer im vollbesetzten kleinen Saal der Kulturfabrik gut an. Und nicht nur dort. Dafür, dass der spätberufene 38-Jährige erst mit seinem zweiten Programm durch Deutschland tourt, ist er bereits überaus erfolgreich und beliebt. Schon sein erstes Programm „Zwischen Ghetto und Germanen“ wurde von der Presse mit Lobeshymnen überhäuft und brachte ihm mehrere Kleinkunstpreise ein. Sein rasanter Aufstieg zeigt sich auch daran, dass er im Fernsehen omnipräsent ist (siehe Kasten).

Abdelkarim überrascht sein Publikum immer wieder mit unerwarteten Wortspielen. „Ich bin kein normaler Deutscher, ich bin Reichsbürger, einer mit Einwanderungsoptik“, verkündet er. Und: „Wenn du im Ghetto lebst, musst du dich entscheiden – Gangster oder Hurensohn.“ Aus seiner Kinder- und Schulzeit weiß er: „Deutsch ist eine schwere Sprache. Ich habe lange Zeit Kapern, Meerrettich und Schattenmorellen für Tiere gehalten.“ Intensiv setzt er sich mit Rassismus und seinen Auswüchsen auseinander und beklagt den Rechtsruck. Auch versteht er nicht, warum sogenannte Political Correctness dazu führt, dass Worte wie „schwarz“ durch „farbig“ ersetzt werden. „Ich sage lieber Schwarzer, ich habe noch keinen Farbigen gesehen.“

Kritisch stellt er fest: „Seit den sexuellen Übergriffen an Silvester 2015 ist Köln für Marokkaner immer ein Thema.“ Zur Bekämpfung islamischer Frauen-Grapscher schlägt er vor, sie mit ihren schlimmsten Feinden zu umzingeln – mit Schwulen. Beißende Ironie kann er also auch und sagt lobend, was ihm an der Comedy gefällt: „Sie kennt keine Tabus.“ Seine Erkenntnis: „Der Islam hat in Deutschland ein Imageproblem.“ Derzeit sei es für Moslems kaum möglich, einen Lkw zu mieten. Von nachdenklich wechselt er ohne Mühe ins leichte Fach und berichtet vom misslungenen Gebet eines Imams in einer Moschee aus seinem Wohnort Duisburg: „Allah ist mit den Gläubigern.“

Zum Thema Migration hat er eine wunderbare Geschichte parat. Ein syrischer Flüchtling, der erst seit drei Monaten in Deutschland lebt und schon gut Deutsch spricht, erfährt auf dem Amt: „Wenn Du weiter so toll lernst, darfst Du schon bald hier arbeiten, sofern Du dabei flexibel bist.“ Darauf der Syrer: „Ich mache alles – nur nicht zusammen mit Türken.“ Abdelkarim: „Das ist echt der Hammer – so kurz da und schon voll integriert.“ Das Publikum lacht Tränen. Und hat vielleicht etwas dazugelernt.

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