Kratzer am Mythos Beuys

Hans Peter Riegel erläutert in der Mediothek seine umstrittene Künstlerbiographie. Das Publikum hakt mitunter kritisch nach.

Krefeld. Die Legendenbildung beginnt bereits mit seiner Geburt. Joseph Beuys wurde nicht, wie er selbst behauptet hat, in Kleve geboren, sondern am Dampfmühlenweg in Krefeld. Wie wichtig seine verleugnete Geburtsstadt in seinem weiteren Leben war, stellt Hans Peter Riegel in den Mittelpunkt seines Vortrags in der Mediothek. Der Autor der heftig umstrittenen Beuys-Biografie ist einer Einladung des „Anderen Buchladen“, der Mediothek und des Kunstvereins gefolgt.

„Sie haben sich den Advocatus Diaboli selbst ins Haus geholt“, bemerkt Riegel lächelnd zur Begrüßung. Dass er seit Monaten mit Anfeindungen bis hin zu persönlichen Drohungen konfrontiert wird, merkt man dem selbstsicher auftretenden Kunstwissenschaftler im dunklen Anzug zunächst nicht an. Sachlich beschreibt Riegel die Kindheit und Jugend von Beuys sowie seine künstlerische Entwicklung. Auch hier gibt es einen Bezug zu Krefeld: Die früheren Museumsleiter Paul Wember und Johannes Cladders förderten Beuys.

Beuys wuchs in Kleve in einer von strengem Katholizismus geprägten, kleinbürgerlichen Atmosphäre auf. Als Jugendlicher ließ er sich, wie viele andere seiner Generation, von den Nationalsozialisten faszinieren. Ohne Schulabschluss stürzte er sich als Soldat in das vermeintliche Abenteuer Krieg, aus dem er körperlich unversehrt, aber schwer traumatisiert zurückkehrte.

Dass Beuys auch hier viel hinzugedichtet hat, stellt Riegel dar. Auch auf Rudolf Steiner und die anthroposophische Lehre geht er immer wieder ein. Für ihn ist sie mit Beuys Werk untrennbar verknüpft. Allerdings hält er das abseits von einer künstlerischen Bewertung. „Da ist sein Rang unstrittig“ betont Riegel.

Allerdings wehrt er sich gegen die unkritische Wiedergabe von Mythen, mit denen Beuys sich selbst stilisiert hat. Vieles habe in die Literatur Eingang gefunden, was da nicht hingehöre, sagt Riegel. In der anschließenden Diskussion betont er mehrfach: „Ich kritisiere nicht, sondern stelle nur fest“.

Zu den Fakten, die man nicht unter den Teppich kehren dürfe, gehören auch Äußerungen von Beuys, die auf rassistische Inhalte der Steiner-Lehre zurückzuführen seien. „Er hat merkwürdige Dinge gesagt.“ Dass Riegel deshalb selbst mit Schmähungen und von Fanatismus gekennzeichneten Anschuldigungen konfrontiert wird, trifft ihn tief.

Auch als ein Zuhörer bekennt, er habe das Buch mit Qual gelesen und Beuys darin nicht wiedergefunden, reagiert Riegel etwas ungehalten. Diese Dünnhäutigkeit zeigt, dass die monatelangen Diskussionen um sein Buch doch Spuren hinterlassen haben. Doch insgesamt beschert das sachliche Gespräch mit dem Publikum ihm einen entspannten Abend, der nach zwei Stunden geräuschlos ausklingt.

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