Konzert: Musikalische Schauergeschichten

Elisabeth Leonskaja und Corinna Kirchhoff im Stadttheater.

Krefeld. "Um Mitternacht will ich dich zu mir nehmen". Oder: "Die Gestalt fiel ab und übrig blieb ein Knochengerippe mit der Sanduhr in der Hand." Schaurig sind sie, die Melodramen des 19. Jahrhunderts, Geschichten von treuer Liebe, Gefahr, Angst und Tod. Auch bedeutende Komponisten schufen Musik zu den Texten, Musik, die illustriert, emotional erweitert, der Erzählung Tiefe verleiht. Beispiele der Gattung erklangen bei einem Konzert am Sonntag im Stadttheater.

Da wäre Richard Strauss. Er komponierte zu Alfred Lord Tennyssons Erzählung "Enoch Arden" leise subtile Klänge, traurige Passagen, kindlich lustige und wehmütige, je nach Aussage der Geschichte: Annie wird von zwei Kinderfreunden geliebt. Sie entscheidet sich für den mutigen Enoch. Als dieser jedoch auf See sein Glück sucht und jahrelang nicht zurückkehrt, springt Philipp als Mann und Vater ein. Als Enoch zurückkehrt, stört er die Idylle nicht, sondern verzichtet.

Spannend erzählt die Schauspielerin Corinna Kirchhoff diese Geschichte, wandelt ihre Stimme, setzt die Aussagen in Gesten um, übertreibt ein wenig - ironisch heute, doch wahrhaft empfunden in der Romantik. Elisabeth Leonskaja musiziert den Klavierpart ungemein differenziert, kostet Pianissimi aus und hebt energische wie fröhlichere Abschnitte deutlich hervor, immer im Dialog mit der Schauspielerin.

Die weiteren Melodramen zeigen das Schaurig-Düstere der romantischen Dichtung, etwa die "Ballade vom Heidenknaben" von Friedrich Hebbel. Robert Schumann komponierte die Musik zum Mord, zu Beginn sanft, dann angstvoll, gespenstisch.

Die "Schöne Hedwig", ebenfalls von Hebbel geschrieben und von Schumann vertont, ist eine glückliche Geschichte, heiter beginnt sie, freudig. Mit "Trompetenschall" wird die Hochzeit des Ritters mit Hedwig gefeiert.

Gespenstisch, angstvoll wird es in den beiden Melodramen "Der traurige Mönch" von Nikolaus Lenau und "Lenore" von Gottfried August Bürger mit Musik von Franz Liszt. Letzterer verlangt dem Klavier einige virtuose Passagen ab, schildert die Ankunft des Pferdes durch die Rhythmik, deutet die Gefahr musikalisch an. Elisabeth Leonskaja ergänzt Kirchhoffs Darstellung intensiv und mit Leichtigkeit.

Gelitten haben die Zuhörer im 19. Jahrhundert gewiss ganz heftig, heute gibt Corinna Kirchhoff ihrer Begegnung mit dem Schauerlichen einen leichteren Unterton. Der beeindruckende Abend wurde möglich durch den Verzicht der Künstlerinnen auf die Gage. Das Benefizkonzert kommt der Initiative Pskow für deutsch-russischen Aussöhnung zugute. Das Publikum applaudiert am Ende begeistert.

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