Klassik: Tonschönheit und klangliche Brillanz

Niederrheinische Sinfoniker mit viertem Sinfoniekonzert im Seidenweberhaus.

Krefeld. "Sie kreisten lange Zeit über mir. Verschwanden im Sonnendunst wie ein Silberbrand", erinnert Sibelius den Flug der Schwäne. Die Vögel mit ihren Naturtalenten faszinieren besonders auch Einojuhanl Rauravaara.

Sein 1972 uraufgeführter "Cantus Arcticus, Konzert für Vögel und Orchester" erklang im 4. Sinfoniekonzert der Niederrheinischen Sinfoniker unter der Leitung von Graham Jackson.

Die Flöte beginnt, allein, ihre Töne schwirren leise, eine zweite Flöte ergänzt diese Bewegung.

Unmerklich kommen neue Laute hinzu, aus einer anderen Richtung: Naturlaute, leises Gezwitscher, Klarinetten und Oboen bilden den melodisch konzipierten Hintergrund der nun folgenden deutlichen Vogelrufe, die vom Band eingespielt werden.

Im zweiten Satz "Melankolla" beginnen die Vögel mit ihrer faszinierenden Lautmusik, weinend fast, dahinein fließt eine Planissimi-Melodie der Violinen, als wenn sie die Sonnenstrahlen des Morgens aussendeten, eine ruhende Landschaft, leise Bewegungen in der Luft.

Es folgt ein polyphones Geflecht der Bläsermotive über dem zitternden Grund der hohen Streicher, Celli und Kontrabässe kontrapunktieren diese Bewegung, majestätisch fliegen die Vögel vorbei.

Rauravaara gelingt mit dieser Musik ein fesselndes Landschaftsbild, in dem die Natur musikalisch erlebt wird, das Nordlicht sein leises farbiges Licht sendet.

Die Solistin des Violinkonzerts Nr. 1 D-Dur op. 10 von Sergej Prokofjew, Lidia Bai, musizierte die verschiedenen Stimmungen des Konzerts mit Tonschönheit und klanglicher Brillianz, findet sich ein in die volksmusikalische Rhythmik und Melodik des ersten Satzes des Konzerts.

Virtuos wird es im "Vivacissimo" des zweiten Satzes, Tonkaskaden, Doppelgriffe, heftige rhythmische Passagen, die an Tanzfolgen erinnern, verlangten von der Solistin intensiven Einsatz.

Der dritte Satz des Konzertes verband lange Kantilenen, sanft gespielt, mit heftig auftrumpfenden rhythmischen Passagen.

Jene Nachdenklichkeit und rhythmische Derbheit wird vom Orchester mitgestaltet und empfunden, Steigerungen werden vorbereitet, plötzliche Übergänge spannend gestaltet; und doch scheint die Interpretation des Konzertes weniger farb- und klangintensiv.

Die Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 43 von Jean Sibelius galt in Finnland lange als Mythos des Befreiungskampfes der Finnen gegen die russische Herrschaft. Sibelius komponierte sie nach einem Italienaufenthalt, der ihn die südliche Schönheit und Proportionalität erfahren lassen sollte.

Sibelius wendet sich im ersten Satz dieser Sinfonie deutlich seiner finnischen Heimat zu: Wie ein Volkslied klang die Melodie der einsetzenden Holzbläser, sie wird wie eine Antwort aus einen anderen Teil der finnischen Landschaft von den Hörnern ergänzt, dynamisch differenziert werden die unterschiedlichen Schattierungen des Stückes ausgekostet.

Aufgewühlt, voller Gegensätze der zweite Satz: Massiver Einsatz der Blechbläser und tiefen Streicher malt ein Bild der Verzweiflung, der Leidenschaft, die jäh abbricht, um einer ruhigen Phase Platz zu machen.

Filigran schnelle Läufe, solistische Motivik in den Bläsern gehen unmerklich über in ein verwandeltes Selbst.

Die weitausholende Melodik des letzten Satzes scheint so etwas auszudrücken wie eine Vergewisserung des Selbst. Graham Jackson gestaltete die Gegensätze dieser Sinfonie zusammen mit dem Orchester intensiv und eindringlich.

Die Musik spiegelte die Gegensätzlichkeit der nordischen Welt, das farblich changierende Nordlicht, das als Motto dem Konzert vorangestellt war. Herzlicher Beifall.

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